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Tigers – Vechta

Natürlich gibt es gute Erklärungen dafür, warum die Tigers sich gegen Rasta Vechta so präsentierten, wie sie sich präsentierten: Die Auswärtspartie in Niedersachsen war das dritte Spiel in nur sechs Tagen und vor allem unter dem Korb war die ohnehin schon straffe Personaldecke durch den kurzfristigen Ausfall von Krišs Helmanis (gute und schnelle Besserung an der Stelle!) zum Zerreißen gespannt. Auch wenn die 103:72-Niederlage in Vechta vor diesem Hintergrund verständlich ist, ist das was auf dem Parkett stellenweise geboten wurde trotzdem nicht zu entschuldigen. Über weite Stellen wurde den Tübinger Fans feinstes Masochismus-Material geboten und der positive Eindruck vom überraschenden Auswärtssieg in Bonn (sorry für den fehlenden Bericht hier, ich war leider urlaubsmäßig verhindert) gründlich relativiert. Genau in solchen Spielen ist es der klare Auftrag dieses Blogs, nicht wegzuschauen, sondern – auch wenn es wehtut – Saison-Lowlights wie den gestrigen Auftritt im Rasta Dome angemessen zu dokumentieren. Hier also nochmal zum Genießen ein Abriss des Aufsteiger-Duells am dritten Spieltag.

Chronik einer Demontage

1. Viertel

  • 9:48: Die Tigers starten tatsächlich sehenswert in die Partie. Nachdem Kao den Tip-Off gewinnt (Überraschung!) steigen die Tigers mit einem schönen System ins Spiel ein, das nach einer Screen-the-Screener-Action zu einem hübschen Alley-Oop-Dunk von Kao nach Pass von Jhivvan Jackson führt. Die Tigers führen in Vechta mit 0:2.
  • 08:11: Erster Tip-In des 18-jährigen Johann Grünloh gegen Kao, der zwar zwischen seinem Gegenspieler und dem Korb steht, Grünloh aber keinen nennenswerten Widerstand leistet. 4:5.
  • 06:06: Nachdem die Tigers einen Rebound (mal wieder) nicht festhalten können, landet der Ball im Aus, Einwurf Tigers. Erol Ersek wirft den Ball deutlich zu hoch ein, Jhivvan Jackson ist zu klein um ihn zu kontrollieren. Resultat ist ein unnötiger Turnover und Einwurf Vechta. Da Joel Aminu offensiv für Vechta schon richtig am Aufdrehen ist, steht es inzwischen 9:6.
  • 05:05: Gelungene Aktion der Tigers! Jimmy Boeheim, der mir heute eh gut gefällt und zumindest sichtlich motiviert ist, wird von Jhivvan Jackson für den 1-gegen-0-Fastbreak bedient und schließt – bescheiden, wie er ist – nur per Fingerroll, anstatt per protzigem Dunk ab. Zwischenstand: 14:8.
  • 04:15: Erste Auszeit Jansson, seine Tigers liegen inzwischen mit 19:8 zurück. Mein Takeaway der fundierten Ansprache: „We’re losing every freaking rebound!” Wo er Recht hat, hat er Recht. Joel Aminu hat mit 11 Punkten inzwischen mehr gescort als das gesamte Tübinger Team.
  • 01:21: Vechtas Wes Iwundu drückt Aatu Kivimäki einen Dreier ins Gesicht und knackt so die 30-Punkte-Marke für sein Team, Zwischenstand: 30:17. Positiv: offensiv sieht es bei den Tigers momentan gar nicht so schlecht aus. Negativ: Vechta scort wirklich nach Belieben.
  • 00:20: Christoph Philipps, der bei den Tigers inzwischen längst fest auf den Big Men-Positionen eingeplant ist, erzielt per Dreier die letzten Punkte des Viertels. Der Zwischenstand zur Viertelpause von 32:20 ist absolut verkraftbar, wenn man die Reboundbilanz von 13:3 bedenkt.

2. Viertel

  • 09:00: Johann Grünloh macht das, was er am liebsten macht: die Tigers für schwache Boxouts bestrafen – diesmal aus der Transition, anstatt aus dem Setplay – das Ergebnis ist aber das bekannte: erfolgreicher Tip-In des Vechtaer Top-Talents. 36:20.
  • 08:26: Das selbe Play nochmal? Das selbe Play nochmal! Kao schaut beim Defense-Rebound zu, Grünloh geht dem Ball nach und tippt ihn rein. 38:20.
  • 05:43: Nachdem Jhivvan Jackson endlich einmal eine Loose-Ball-Situation für die Tigers entscheidet, findet er Jimmy ‚Buckets‘ Boeheim in der Ecke, dieser verwandelt den Dreier zum 38:27. Mit ihrem Microball-Drei-Guard-Lineup bestehend aus Till-Joscha Jönke, Gianni Otto, Jhivvan Jackson, Chrissi Philipps und Jimmy Boeheim sehen die Tigers momentan in Sachen Einsatz und Mindest endlich etwas besser aus und zwingen Vechta sogar zur Auszeit.
  • 05:17: Gianni Otto bedient den um den Block kommenden Jhivvan Jackson zum Dreier, dieser verwandelt und mit 40:30 sieht es für die Gäste auf einmal gar nicht mehr so übel aus. Übel hingegen die Angewohnheit des DYN-Kommentators, die Nummer 26 der Tigers durchgängig als ‚Till-Joschka Jönke‘ zu bezeichnen.
  • 02:00: Durch einen hübschen Korbleger aus dem (von den Tigers schlecht verteidigten) Pick-and-Roll knackt Vechtas Nat Diallo zwei Minuten vor der Pause schon die 50-Punkte-Marke für seine Mannschaft. Während Rasta offensiv wieder rollt, geht offensiv für Tübingen nichts. Zwischenstand ist dementsprechend ein deutliches 51:33.
  • 01:13: Nächste Jansson-Auszeit. „This is fucking embarassing“ – vor allem die Pick-and-Roll-Defense missfällt dem Tigers-Coach, der beim Stand von 53:35 zurecht Besprechungsbedarf sieht.
  • 00:42: Die Tigers-Auszeit hat gefruchtet, Tübingen ist zumindest kurzfristig wacher, selbstbewusster und legt einen schnellen 5:0-Lauf hin, der beim Stand von 53:40 Rasta-Coach Ty Harrelson wiederum zur Auszeit bewegt.
  • 00:00: Mit 55:42 endet eine erste Halbzeit, die aus Tübinger Sicht zwar keinesfalls überragend war, aber unter anderem wegen des Aufbäumens zum Ende des zweiten Viertels noch lange nicht das Prädikat ‚katastrophal‘ verdient hat.

3. Viertel

  • 09:35: Johann Grünloh, um den ich Rasta immer mehr beneide, ist weiter jung, hungrig und leidenschaftlich und scort die ersten beiden Punkte der zweiten Halbzeit, indem er Kao erbarmungslos aufs Poster packt. 57:42.
  • 07:35: Jhivvan Jackson sucht (endlich wieder) seinen eigenen Abschluss und erzielt mit seinem And-One-Korbleger (endlich) den ersten Tübinger Feldkorb der zweiten Hälfte. Nach dem Bonusfreiwurf steht es 60:46.
  • 05:36: weiter ist Jhivvan Jackson der einzige Tigers-Spieler, der offensiv produziert. Nach Till-Joscha Jönkes Offensivrebound verkürzt der Tigers-Point Guard auf 65:50 und sorgt dafür, dass sein Team noch nicht komplett den Anschluss verliert.
  • 04:48: Defensiv sind die Adjektive, die einem zur Leistung der Tigers in den Sinn kommen ‚unentschlossen‘, ‚leidenschaftslos‘, oder ‚pomadig‘. Joel Aminu, der macht, was er will, scort aus der Mitteldistanz zum 70:50. Danny Jansson muss mit der Auszeit reagieren.
  • 02:47: Nochmal ein Highlight für die Fanseele: Kao wird aus dem Pick-and-Roll von Jhivvan Jackson angespielt und vollendet in feinster Grünloh-Manier per sehenswertem Dunk. 76:54.
  • 01:56: Gianni Otto, für den es mich sehr freut, dass er endlich mal relevante BBL-Minuten gehen darf, zieht ein Offensivfoul im Vechtaer Spielaufbau. Schwappt das Momentum vielleicht doch nochmal auf Tigers-Seite?
  • 00:48: Vechta wirkt inzwischen auch nicht mehr so souverän, wie noch zuvor. Ryan Schwieger wirft mit Ablauf der Shotclock einen Airball, im Gegenangriff trifft Gianni Otto den Dreier. Es steht 78:58 und es fühlt sich gar nicht mehr so schlimm an, hier als Tigers-Fan zuzuschauen.
  • 00:20: Die Schmerzen sind zurück, sowohl bei den Zuschauer:innen, als auch bei Aatu Kivimäki, der sich in der Defensive ohne Gegnereinwirkung den Fuß vertritt und mit einer offensichtlichen Sprunggelenksverletzung vom Feld humpelt – der Super-GAU für den ohnehin schon dezimierten Tigers-Kader. Dass Vechta im gleichen Angriff auch noch scort und die Führung zum Viertelende auf 80:58 stellt, ist absolut nebensächlich.

4. Viertel

  • 07:58: In einer inzwischen auf beiden Seiten unansehnlichen Partie sind die Tübinger die schwächere Mannschaft und leisten sich offensiv abwechselnd Fehlwürfe und vermeidbare Ballverluste. Nach zwei punktelosen Minuten und dem Zwischenstand von 83:58 steht die nächste Jansson-Auszeit an.
  • 07:11: Nach drei Minuten Flaute erzielt Chrissi Philipps nach einem zugegebenermaßen ansehnlichen Postmove per And-One die ersten Tigers-Punkte des Schlussabschnitts. Nach dem Bonusfreiwurf steht es 85:61, jegliche Hoffnungen auf ein eventuelles Tigers-Comeback sind inzwischen längst verstorben und feierlich beerdigt. Es geht darum, die Partie ohne weitere Verletzungen über die Bühne zu bekommen – und so sieht das Spiel leider auch aus.
  • 05:12: Jhivvan Jackson contestet den Dreier von Chip Flanigan zu ungestüm und begeht auf unnötigste Weise sein fünftes Foul, womit die Aufbauverantwortung auf Till-Joscha Jönke übergeht. Nach Flanigans Freiwürfen steht es 90:61 und die inzwischen offensiv komplett planlosen Tigers haben in der ersten Hälfte des Schlussviertels atemberaubende drei Punkte erzielt.
  • 03:47: Einen schönen Moment bieten die Tigers noch, als knapp vier Minuten vor Ende Joshi Schwaibold eingewechselt wird und seine ersten Bundesliga-Minuten sammeln darf. Herzlichen Glückwunsch dazu, hoffentlich folgen noch viele weitere!
  • 01:57: Ebenfalls ein versöhnliches Abschlussgeschenk an die Tigers-Fans ist die Gianni-Otto-Show, die sie nun in den Schlussminuten genießen dürfen. Offensiv ist Otto so ziemlich der einzige Aktivposten und schraubt mit seinem Dreier zum 96:72 sein persönliches Punktekonto auf 12. Dazu ist Otto nach Abpfiff mit sechs Rebounds als Point Guard der Top-Rebounder seiner Mannschaft und so ziemlich der einzige Lichtblick an einem düsteren Basketball-Abend.
  • 00:29: Per And-One-Dreier gegen den ungelenk herauseilenden Kao erzielt Vechtas Chip Flanigan die letzten Punkte der Partie. 103:72 lautet das verdiente Endergebnis im Rasta-Dome. Eine der Hauptbaustellen bei den Tigers war mal wieder das Rebounding, wo das statistische Duell mit 44:29 an die Hausherren ging, aber auch offensiv war das über weite Strecken eine wirklich unrunde Leistung.
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Tigers – Ulm

Was wäre das für eine triumphale Rückkehr in die Bundesliga gewesen? Heimsieg von David gegen Goliath, vom Aufsteiger gegen den deutschen Meister, Derbysieg vor ausverkaufter Paul Horn-Arena! Über drei Viertel konnte man als Tigers-Fan gestern träumen, dass die Rückkehr in die BBL in bester Sportschnulzen-Drehbuchmanier verlaufen würde, bis im letzten Viertel dann die Körner ausgingen und Ulm das Spiel doch noch souverän mit 84:99 nach Hause bringen konnte. Trotzdem bin ich einen Tag danach nicht enttäuscht, sondern eher vorsichtig zuversichtlich nach der starken Vorstellung der Tigers, die sich vor allem im Vergleich zum Saisonauftakt im Pokal gegen Braunschweig stark verbessert gezeigt haben und am Ende in vielerlei Hinsicht einfach zu klein waren, um die Sensation klarzumachen.

Rotation: zu kurz

Konnte man vor der Saison noch davon ausgehen, dass die Breite eine der großen Stärken des Tigers-Kaders sein würde, der durch die späte Verpflichtung von Chrissi Philipps vor allem auf den deutschen Positionen so besetzt schien, dass Danny Jansson fast eine Zwölfer-Rotation spielen konnte, sah der Saisonauftakt in dieser Hinsicht dann doch ganz anders aus. Durch die Verletzungen von Daniel Keppeler und Mateo Šerić, und die Tatsache, dass Erol Ersek weiterhin auf seinen deutschen Pass wartet und so den Import-Spot nutzen musste, den im Pokalspiel noch Zaccheus Darko-Kelly belegt hatte, traten die Tigers mit einem Zehnerkader gegen Ulm an, wobei Gianni Otto gar nicht zum Einsatz kam und Danny Jansson so effektiv eine Neuner-Rotation nutzte. Vor allem unter dem Korb machte sich das Fehlen zweier deutscher Leistungsträger mit Šerić und Keppeler bemerkbar.

Bis zum Schlussviertel konnten die Tigers bemerkenswert gut mithalten und Ulmer Läufe jeweils mit eigenen Runs beantworten. Mitte des dritten Viertels lagen die Gastgeber schon zweistellig zurück (56:68, 36. Minute), doch kamen angetrieben vor allem durch den wieder bockstarken Jhivvan Jackson gegen Ende des Spielabschnitts wieder auf einen Punkt heran (70:71). Im Schlussviertel mussten die Gastgeber ihrere intensiven Spielweise und dem dünnen Kader dann aber doch Tribut zollen: mit Kao und Krišs Helmanis waren die beiden einzigen wirklichen Bigs des Kaders schon mit vier Fouls belastet, während es den Tübinger Guards offensiv immer schwerer fiel, gegen den konstanten Ulmer Druck dagegenzuhalten. Am Ende des Spiels hatten mit Kao, Chrissi Philipps, Erol Ersek, Jhivvan Jackson und Krišs Helmanis die fünf Tigers-Spieler mit der längsten Einsatzzeit 22 ihrer verfügbaren 25 Fouls begangen, wobei Helmanis und Jackson das Ende des Spiels dann ausgefoult von der Bank aus beobachten mussten. So beendeten die zurecht platten Tigers das Spiel mit einer Siebener-Rotation und konnten außer in Person von Till-Joscha Jönke, der sich in den letzten Minuten noch einmal ein Herz nahm und seinem Ex-Club sechs Punkte einschenkte, überlegenen Ulmern nichts mehr entgegensetzen.

Unter dem Korb: zu schwach

Auch wenn die Reboundstatistik zum Ende des Spiel mit 30:40 aus Tübinger Sicht beinahe versöhnlich aussieht, war die Ulmer Dominanz unter den Brettern vor allem in der ersten Halbzeit des Spiels regelrecht erschreckend – das ganze ging zeitweise so weit, dass ich bei Ulmer Freiwürfen lieber gesehen habe, dass der zweite Versuch erfolgreich war, da ich zu große Angst vor dem Ulmer Offensivrebound hatte. Zur Halbzeitpause sah die Reboundbilanz von Tübinger Seite mit 9:21 dementsprechend düster aus. Vor allem der Tigers-Trefferquote aus der Distanz (40%, denen nur 18% auf Ulmer Seite gegenüberstanden) war zu verdanken, dass das Spiel zur Halbzeit mit 48:52 noch offen war.

Der Grund für die Tübinger Reboundunterlegenheit im ersten Spielabschnitt ist sicherlich zum einen in der Einstellung der Mannschaft zu suchen – wie mir in der Jugend schon immer eingebläut wurde, ist Rebounding zu einem großen Anteil eine Frage des richtigen Mindsets – die zur zweiten Halbzeit wohl justiert wurde, wo das Reboundduell sich dann ausgeglichen gestaltete. Trotzdem wäre es nach zwei Pflichtspielen, in denen die Tigers jeweil am Brett deutlich unterlegen waren, falsch, hier nicht auch auf die momentane Kaderzusammenstellung einzugehen. Spätestens mit der Verpflichtung Kaos war klar, dass die Tigers in dieser Saison unter dem Korb auf die Variante ‚Leichtbau‘ setzen werden und so gegen praktisch jeden Gegner in der BBL wenn nicht größenmäßig, dann zumindest kraftmäßig unterlegen sein würden – wobei die momentanen Verletzungen von Mateo Šerić und Daniel Keppeler diese Lage natürlich noch potenzieren. So bestand die Rotation der Tigers unter dem Korb gegen Ulm nur aus drei (wohlwollend so bezeichneten) nominellen Big Men: Kao (offiziell 2,08 m, 86 kg), Krišs Helmanis (2,09 m, 100 kg) und Jimmy Boeheim, der als Vierer ganze 2,03m und 98 kg mitbringt.

Schon gegen Braunschweig mit Jilson Bango war offensichtlich, dass diese Aufstellung vor allem defensiv anfällig ist und gegen die Ulmer Big Boys um die sympathischen Brecher Trevion Williams und Nicolas Bretzel, aber auch gegen athletische Flügel wie L.J. Figueroa und Karim Jallow wurde nochmal deutlich, dass der aktuelle Tigers-Kader große Probleme hat, Physis zu kontern. Williams, Figueroa und Jallow durften zu dritt ganze 28 (!) mal an die Freiwurflinie treten, was ein Freiwurf mehr ist, als das gesamte Tigers-Team nehmen durfte. Ohne Fouls konnten die Tübinger den (ehemaligen?)1 Erzrivalen unter dem Korb einfach nicht stoppen.

Zumindest in der momentanen Kaderzusammenstellung wird der Umgang mit gegnerischer Physis eine der großen Fragen sein, die der Tigers-Coaching-Staff vor den nächsten Spielen gegen Bonn und Vechta in seinen Herzen bewegen muss – selbst wenn die beiden genannten Teams bisher nicht unbedingt durch ihre Durchschlagkraft unter dem Korb glänzen. Und auch nach der Rückkehr von Šerić und Keppeler sehe ich trotz der unbestreitbaren Qualitäten der beiden keine unmittelbare Besserung in Sachen Körperlichkeit. Selbst Bakary Dibba, den ich schon kurz nach seiner Leihe nach Karlsruhe schwer vermisse, hätte zwar gestern defensiv die richtige Einstellung gebracht, aber wäre angesichts seines Körperbaus auch nicht die Patentlösung für die fehlende Durchschlagkraft unter dem Korb gewesen. So wird es sehr spannend zu sehen, wie Danny Jansson und Co. (die gegen Ulm modemäßig zum Saisonauftakt mit ihren aufeinander abgestimmten Boss-Rollkragen-Pullovern mit wunderbar billig wirkendem Gold-Aufdruck schon einmal ein absolutes Ausrufezeichen gesetzt haben) in den kommenden Spielen versuchen werden, die körperliche Unterlegenheit ihrer Mannschaft unter dem Korb auszugleichen – oder die hohe Mobilität ihres Frontcourts sogar zu einer Stärke der Mannschaft wenden können.

Selbstvertrauen: groß genug

Nach dem Heimauftakt gegen Ulm Trübsal zu blasen und die Saison abzuschreiben wäre trotz unbestreitbarer Probleme der Tigers, besonders unter dem Korb, aber mehr als ungerechtfertigt. Besonders offensiv sah das schon deutlich besser aus, als noch vor einer Woche gegen Braunschweig – vor allem in Bezug auf das Selbstvertrauen der Mannschaft. Hier setzte Erol Ersek (oder Erol Erscheck in den Worten des DYN-Kommentators), der für Zaccheus Darko-Kelly in der Kader gerückt war, direkt von Beginn an eine starke Duftmarke und hielt direkt ohne zu zögern von der Dreierlinie drauf. Bis zu seiner Auswechslung in der sechsten Minute hatte der Tigers-Guard schon dreimal aus der Distanz draufgehalten und dabei auch einmal getroffen – klar keine ganz optimale Quote, doch die Einstellung, die Würfe vom Start weg mit voller Überzeugung zu nehmen, war die absolut Richtige und setzte für die ganze Mannschaft den Ton für die weitere Partie.

Auch Jhivvan Jackson, der mir gegen Braunschweig noch zu verhalten begonnen hatte, zeigte diesmal direkt von Spielbeginn an, dass mit ihm als Scorer zu rechnen ist, beschränkte sich nicht auf den vorsichtigen Spielaufbau, sondern nahm sich die ersten beiden Würfe der Partie und setzte so den Grundstein für eine weitere hervorragende Scoring-Performance – am Ende standen für den Tigers-Guard 24 Punkte bei starken 60% aus dem Feld zu Buche. Dabei bin ich nach wie vor der Überzeugung, dass das offensiv mit Abstand beste Tübinger Guard-Lineup aus Jackson in Kombination mit Aatu Kivimäki besteht – so müssen beide nicht die komplette Last des Spielaufbaus alleine tragen und schaffen Räume und Scoring-Möglichkeiten für den jeweils anderen. Ein eindrückliches Beispiel für das gemeinsame Offensivpotential der beiden Guards war der 8:0-Lauf Ende des zweiten Viertels, als die beiden innerhalb einer Minute gemeinsam 8 Punkte und einen Assist auflegten, den Rückstand ihrer Mannschaft von 38:48 auf 46:48 schraubten und so Anton Gavel in der 19. Minute zur Auszeit zwangen. Natürlich bin ich mir bewusst, dass die Tigers – deren mangelnde Länge und Physis ich vor drei Absätzen noch laut beweint habe – es sich defensiv nicht dauerhaft leisten können, zwei Guards von 1,83 m und 1,85 nebeneinander auflaufen zu lassen. Offensiv sehe ich in diesem Duo in durch die Kombination aus Shooting, Playmaking und Drive (den dabei vor allem Jackson mitbringt) aber ein Cocktail, der viele BBL-Defensiven vor ernsthafte Probleme stellen kann.

Und wenn ich mich schon mit dem Thema des offensiven Selbstbewusstseins beschäftige, komme ich natürlich nicht darum herum, noch ein paar Worte zu Jimmy Boeheim zu verlieren, der in dieser Hinsicht bisher mein absolutes Sorgenkind im Kader war. Zwar zeigte Jimmy Buckets, wie ich ihn liebend gerne öfter nennen würde, von der Dreierlinie immer noch hin und wieder Rehkitz-ähnliche Scheu und passte den Ball für meinen Geschmack etwas zu schnell weiter, auf dem Weg zum Korb konnte er aber die guten Ansätze, die er gegen Braunschweig hatte aufblitzen lassen, weiter bestätigen und ging wiederholt auch gegen den Mann und mit Kontakt erfolgreich zum Korbleger hoch. Dazu war er auch an den Brettern engagiert und konnte in seinen nur knapp 20 Minuten Spielzeit sechs Rebounds, darunter zwei offensive (beides Tigers-Bestwert) abgreifen. Ich hoffe die Form- und vor allem Selbstvertrauenskurve zeigt hier in Zukunft noch weiter und vielleicht sogar noch etwas steiler nach oben, dann könnten wir noch große Freude an unserem Import-Forward haben.

(1): Zumindest ich verspüre beim Derby gegen ratiopharm ulm (als Teil der Corporate Identity konsequent klein zu schreiben!) schon seit langem keine ernsthafte Abneigung mehr gegen den Gegner – und habe den Eindruck, dass nicht zuletzt durch die zunehmende Anzahl an Querverbindungen der beiden Teams das Klima sich hier auch allgemein immer mehr zu einer freundlichen Rivalität wandelt. Mit Danny Jansson, Timo Lanmüller, Chrissi Philipps, Till Joscha-Jönke, Tyron McCoy und Robert Wintermantel – um nur die zu nennen, die mir spontan einfallen – gibt es auf beiden Seiten genug Akteure mit einer Vergangenheit beim jeweiligen Rivalen, um als Fan den gesamten Spieltag mit ‚Judas‘-Schreien zu verbringen. Dass das so nicht eingetreten ist, finde ich persönlich sehr angenehm. Die Tatsache, dass das Duell seit inzwischen gut einem Jahrzehnt auch längst nicht mehr auf sportlicher Augenhöhe geführt wird, wird ihr übriges getan haben, eventuell vorhandenen persönliche Animositäten weiter zu entspannen.

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Saisonvorschau

Saisonvorschau, Teil 4: Was passiert mit Bakary Dibba?

Eigentlich wollte ich mich in meinem Saisonvorschau-Artikel zu Bakary Dibba vor allem mit seinem Distanzwurf beschäftigen und die gewagte These aufstellen, dass er nur einen zuverlässigen Dreier davon entfernt ist, in ein paar Jahren der dänische Louis Olinde zu werden. Ansonsten ist alles da: die langen Arme, die giftige Defense, die Chasedownblocks, das Auge für gute Cuts und natürlich der unbedingte Wille, alles zu dunken was geht. Wer es nicht glauben will, soll bitte die Highlights vergleichen.

Doch nun geht es mit Bakary Dibba plötzlich um ganz andere Themen: Nicht nur im Tagblatt werden Andeutungen gemacht, auch auf der Tigers-Website wird Danny Jansson wie folgt zitiert: „Es kann sein, dass wir ihn [Dibba] für die kommende Saison noch ausleihen werden, um ihn dann noch besser in einem Jahr zurückzubekommen. Im Moment trainiert er weiter mit uns. Wir müssen sehen, was die nächsten Tage bringen.” Damit steht fest, dass Publikumsliebling Dibba ganz klar auf dem Markt zu sein scheint, um verliehen zu werden und sich eine diesbezügliche Entscheidung wohl in den nächsten Tagen anbahnt. Diese erste Leihe in der jüngeren Tigers-Geschichte – kann sich jemand überhaupt an eine andere erinnern? – wirft natürlich eine Menge fragen auf, die ich versuchen werde, hier zu beantworten.

1. Wann kommt der deutsche Pass für Erol Ersek?

Wohl nicht so bald. Nachdem zum Zeitpunkt von Erseks Vertragsverlängerung noch Zuversicht bei den Tigers herrschte, ihn in der kommenden Saison als deutschen Spieler zur Verfügung zu haben: „Ersek und sein Berater sind aktuell intensiv daran, dass diese Formalie zeitnah abgeschlossen wird und die Tübinger Nummer elf als deutscher Spieler für die Tigers Tübingen auf Korbjagd gehen kann,“ erreichen uns nun aktuell doch andere Töne aus dem Umfeld der Tigers: „Weiterhin gibt es hingegen keine Neuigkeiten hinsichtlich eines deutschen Passes für den Spieler Erol Ersek. ‚Es ist doch schwerer den deutschen Pass zu bekommen, auch als Österreicher. Wir arbeiten jedoch daran. Die deutsche Bürokratie ist sehr gründlich,‘ betonte Ersek mit einem Grinsen auf den Wangen.“

Für den Fall, dass Dibba bei den Tigers bleiben sollte, würde das bedeuten, dass unsere geliebten Raubkatzen (immerhin ist man in Tübingen noch nicht auf die medium-fetzige Idee gekommen, sich „Jungs vom Neckar“ zu nennen, wie man es inzwischen bei den MLP Academics tut, deren PR-Abteilung ich sonst doch sehr schätze) mit acht Import-Spielern in die Saison gehen würden. Eine derartige Tiefe auf den Import-Spots würde zwar eine starke Absicherung gegen Verletzungen bedeuten, würde aber auch dafür sorgen, dass aus dem Oktett aus Zaccheus Darko-Kelly, Aatu Kivimäki, Jhivvan Jackson, Jimmy Boeheim, Bakary Dibba, Kaodirichi Akobundu-Ehiogu, Krišs Helmanis und Erol Ersek zwei Spieler pro Partie aussetzen müssten. Auch wenn mir Danny Jansson wie ein Coach scheint, der in der Lage ist, Rollenverteilung im Kader gut zu kommunizieren, könnte ich mir doch vorstellen, dass es für atmosphärische Verstimmungen sorgen könnte, wenn regelmäßig Spieler aussetzen müssen, die von den individuellen Anlagen her alle (mehr oder weniger) locker für die Tigers starten könnten. Wenn für Erol Ersek tatsächlich kein deutscher Pass in Aussicht ist, macht es dann wohl tatsächlich Sinn, mit Bakary Dibba den Spieler zu verleihen, der wohl am meisten unter dieser Situation gelitten hätte – und der als langfristiges Tigers-Projekt trotzdem gefördert werden sollte.

2. Wohin wird Bakary Dibba ausgeliehen?

Es ist für Beobachtende von außen klar und wird auch von Danny Jansson so kommuniziert, dass eine Leihe nur Sinn macht, wenn Dibba in der kommenden Saison möglichst viel Einsatzzeit sammeln darf, um sich zu entwicklen. Immer wieder wird im Basketball-Geschäft betont, wie wichtig Spielpraxis für die Entwicklung von Talenten ist und gerade diese scheinen die Tigers Dibba in der aktuellen Kader-Situation nicht bieten zu können. Gleichzeitig ist er der ersten Regionalliga endgültig entwachsen, wie er in den ProA-Playoffs der letzten Saison zeigen konnte, ihn hier einzusetzen wäre wohl für alle Beteiligten frustrierend, sowohl für den dänischen A-Nationalspieler, als auch für seine Opfer auf Regio-Niveau. Es geht für die Tigers also darum, einen Club zu finden, bei dem Dibba auf möglichst hohem Niveau eine möglichst große Rolle spielen darf, um dann in der nächsten Saison (hoffentlich mit einem soliden Dreier) zurückzukehren. Grundvoraussetzung für das ganze Leihgeschäft und Dibbas angepeilte Rückkehr wäre dabei natürlich eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit dem jungen Forward, dessen aktueller Kontrakt 2024 ausläuft. Man kann davon ausgehen, dass im Falle eine Leihe die Verlängerung direkt dazu bekanntgegeben wird.

Auf der anderen Seite muss bedacht werden, dass für den Leih-Partner der Tigers ganz andere Bedürfnisse und Prioritäten entstehen als für die Tübinger. Kein anderer Club wird ein intrinsisches Interesse daran haben, Dibba lediglich als Perspektivspieler für einen anderen Club zu entwickeln. Damit die Leihe für seine Zielmannschaft Sinn macht, muss Dibba hier eindeutig Leistung bringen und würde so im Falle einer Leihe vermutlich zum ersten Mal in seiner Karriere so richtig unter Druck stehen, direkt zu liefern. Nach Spekulationen des Schwäbischen Tagblatts könnte ein deutscher ProA-Ligist wohl eine Zieldestination für das Tübinger Juwel werden. Damit würde Dibba direkt wieder in einer Situation landen, in der er als Import-Spieler einen begehrten Kontingentplatz belegt, was Druck und eine gewisse Erwartungshaltung bedeutet. Sollte es tatsächlich die ProA werden, sehe ich Dibba vor diesem Hintergrund eher bei einem der Teams der unteren Tabellenhälfte – bei Topteams wie Gießen, Frankfurt, oder auch den Koblenzer Aufsteigern, die zumindest dem eigenen Anspruch nach um den Aufstieg mitspielen werden, kann Dibba nicht die Rolle und Spielzeit gewährleistet werden, die er und die Tigers sich wünschen würden. Mehr Verantwortung und vor allem weniger starke Konkurrenz auf den Imports-Spots sehe ich bei den etatschwächeren Teams der unteren Tabellenhälfte. Besonders wenn die Tigers, wie bei Leihen wohl nicht unüblich, weiter einen Teil von Dibbas Gehalt übernehmen, könnten Teams wie Düsseldorf, Paderborn, oder Bochum (ohne deren Kader oder genauere Etatsituation zu kennen) in Dibba ein Schnäppchen sehen und dementsprechend zuschlagen.

3. Was sagt die Leihe über die Philosophie der Tigers aus?

Für mich ist die eventuell bevorstehende Leihe Bakary Dibbas vor allem ein Zeichen dafür, dass die Tigers Tübingen ihr Commitment zu der Philosophie, junge (sowie hungrige und leidenschaftliche…) Spieler zu entwickeln und mit ihnen gemeinsam zu wachsen, weiterhin ernstnehmen und auch unter höherem Druck in der BBL nicht verwerfen. Gleichzeitig freut es mich auch zu sehen, dass mit einem solchen Move offenbar langfristiger als nur eine Saison geplant wird, was ich vor allem in den letzten Tübinger Erstliga-Spielzeiten so nicht wahrgenommen habe. Auch sonst scheint es mir unter den BBL-Clubs der unteren Tabellenhälfte so, dass es zwar infrastrukturell durchaus längerfristige Ziele geben mag, der Kader aber von Jahr zu Jahr komplett neu zusammengewürfelt wird und Planung und vor allem Spielerentwicklung über mehr als eine Saison hinweg so gut wie unmöglich ist. Insofern ist ein Leihgeschäft durchaus als positives Zeichen zu sehen und stellt auch ein Alleinstellungsmerkmal im deutschen Basketballgeschäft dar.

Typischerweise sind es in Deutschland Mannschaften wie Alba Berlin, Bayern München oder auch die ach-so-verhassten Ulmer Erzrivalen, die es sich leisten können und wollen, ihre Talente bei schwächeren Teams zu Entwicklungszwecken zu parken. Dass die Tigers sich diesen Luxus trotz ihres mickrigen Etats vermutlich leisten werden, ist natürlich keinesfalls als Kampfansage an diese deutschen Basketball-Schwergewichte zu verstehen. Alleine etatmäßig wird man sich mit den genannten Clubs in den nächsten zehn Jahren (und vermutlich auch darüber hinweg) nicht messen können. Was mich aber doch sehr freuen würde, wäre wenn die Tigers es schaffen, sich mit solchen Entscheidungen und vor allem einer möglichst langen Amtszeit von Danny Jansson einen (internationalen) Ruf als Destination für erfolgreiche Spielerentwicklung zu erarbeiten und so einen Markenkern etablieren, der sowohl für die Spielerrekrutierung, als auch die Fanbindung sehr hilfreich sein kann.

Im Großen und Ganzen scheint mir eine Leihe von Bakary Dibba also eine gute Idee zu sein, wobei es mich aber natürlich sehr schmerzen wird, ihn in der kommenden Saison nicht im Tigers-Dress zu sehen. Besonders mit Dibba an der Seite von Kao hätte ich meine helle Freude gehabt, diese Highlight-Maschinerie wird uns wohl leider entgehen.

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Saisonvorschau

Saisonvorschau, Teil 3 – erste Eindrücke der Neuzugänge

Verglichen mit dem grandiosen Goldmedaillen-Gewinn der deutschen Basketball-Nationalmannschaft muss man sagen, dass der Season-Opener der Tigers-Tübingen inklusive der offiziellen Teamvorstellung am gestrigen Nachmittag doch etwas weniger glamourös und hochklassig daher kam. Trotzdem war es zumindest für mich die erste Möglichkeit, die neu formierte Mannschaft live zu sehen. In einer insgesamt eher durchwachsenen Partie gegen die Bozic Estriche Knights Kirchheim gewannen die Tigers schließlich mit 85:74. Viel spannender als das Ergebnis war es dabei aber für mich, die Neuzugänge der Tigers zum ersten Mal zu Gesicht zu bekommen. Meine Einzelbesprechungen – die, man muss es betonen, wirklich nur auf einem ersten Eindruck und damit einer furchtbar gerinegn Datenmenge beruhen – finden sich im Folgenden.

Kaodirichi Akobundu-Ehiogu:

Hält, was ich mir bisher nach seiner Verpflichtung versprochen habe. Hat direkt im ersten Viertel mit zwei wirklich spektakulären Blocks gezeigt, dass mit ihm als Ringbeschützer von der Helpside jeder Abschluss am Korb vielleicht doch noch einmal überdacht werden sollte. In der ersten Hälfte haben die Tigers das Pick-and-Roll mit ihm in der Dropverteidigung bekämpft, was ein spannender Ansatz ist, da für die meisten attackierenden Spieler die Zone damit erstmal eine No-Go-Area wird. Gleichzeitig hat Kao besonders in der ersten Hälfte defensiv aber auch große Anfälligkeiten gegen das gegnerische Post-Up gezeigt, wo seine Gewichtsnachteile nicht nur von Nick Muszynski (den ich kommende Saison als einen der stärkeren ProA-Center sehe), sondern auch Antonio Dorn immer wieder ausgespielt werden konnten. In der zweiten Hälfte sah Kao diesbezüglich schon etwas besser aus, konnte eher dagegenhalten und wurde dann gegen das Pick-and-Roll auch im Switch eingesetzt, was zumindest in meinen Augen auch eine durchaus gangbare Option ist. So gut wie niemand wird – wie Kirchheims Michael Flowers schmerzhaft erfahren musste – aus dem Dribbling über Kao werfen können wird, ohne zumindest sehr gestört, wenn nicht sogar rüde abgeräumt zu werden. Am Ende der Partie standen für Kao laut Tigers-Website und Tagblatt drei Blocks zu Buche, wobei ich in der Halle mindestens zwei mehr gesehen habe. So oder so ist klar, dass Kao defensiv ein absoluter Gamechanger sein kann, um den herum gegnerische Teams ihre Offense planen müssen.

Im Angriff hingegen hat sich gezeigt, dass Kao noch unfassbar roh ist und es eine Weile brauchen wird, bis er hier einen annähernd so großen Impact auf das Spiel haben wird, wie in der Defensive. Seine meisten Ballkontakte hatte Kao auf dem Flügel, wo er nur als Pass-Station genutzt wurde, oder ins Hand-Off mit seinen Guards gegangen ist. Seine 4 Punkte entstanden durch Fouls an ihm nach Durchsteckern oder Offense-Rebounds (Freiwurfquote 2/4, wobei der Wurf aber technisch wirklich ok aussieht) und im vierten Viertel dann endlich per Dunk nach Alley-Oop-Zuspiel von Jhivvan Jackson. Besonders im Abrollen sehe ich noch viel Luft nach oben für die gesamte Tigers-Offense, ihren besten Athleten konsequenter zu suchen und hoch anzuspielen, die absolute Lufthoheit wird er vermutlich in jeder Partie haben. Ansonsten ist zum jetzigen Zeitpunkt offensiv neben Putbacks, verwerteten Durchsteckern und Alleys nicht viel von Kao zu erwarten. Sein einer Post-Up gegen Antonio Dorn endete nach einer wirren Fußarbeitseinlage mit einem Hakenwurf, der traurig gegen das Brett klatschte. Danach wurde Kao in dieser Situation von seinen Mitspielern (wohl zurecht) auch nicht mehr gesucht.

Jhivvan Jackson:

War von Beginn an sichtlich bemüht, seine Rolle als Point Guard auszufüllen und verstand es vor allem in der ersten Hälfte als seine Hauptaufgabe, den Ball an seine Mitspieler zu bringen. Das Zeug dazu hat er durchaus, das Ballhandling sieht gut aus, die Pässe fanden ihren Empfänger, Systeme wurden angesagt und geduldig gelaufen und der Ball auch im Break schnell nach vorne gebracht. Was in seiner Point Guard-Rolle, zumindest in meinen Augen, aber absolut zu kurz kam, war Jacksons eigenes Scoring. Immer wieder habe ich mich während des Spiels ertappt, wie ich mir gewünscht hätte, dass er – besonders nach einem Switch – sich seinen Verteidiger einfach im 1-gegen-1 vorknöpft und scort. Dass Jackson das kann wurde nicht nur bei seinen bisherigen Karrierestationen offensichtlich, sondern auch in der zweiten Halbzeit, als er immer wieder neben Aatu Kivimäki eingesetzt wurde, der dann die Rolle des Point Guards übernommen hat und Jackson so die Möglichkeit gab, offensiv befreit aufzuspielen und zu scoren.

So wurde der Puerto Rican Iverson dank eines selbstbewussteren Schlussviertels am Ende doch Tigers-Topscorer mit 17 Punkten, was umso beeindruckender ist, da ich das Gefühl hatte, dass er ungefähr zwei Drittel des Spiels offensiv mit angezogener Handbremse gespielt hat und seinen eigenen Abschluss eher gemieden hat. Zumindest offensiv würde ich mir daher wünschen, dass Jackson so oft wie möglich neben Kivimäki auflaufen darf, damit er nicht seiner größten Stärke, seines Shotmakings, beraubt den Ballvortrag übernehmen und Systeme einleiten muss, sondern den Tigers als Scorer wichtige Impulse geben kann. Besonders da durch einen aggressiven Jhivvan Jackson, der im 1-gegen-1 nur äußerst schwer zu stoppen ist, sich unweigerlich auch mehr Freiräume für seine Mitspieler eröffnen werden, bin ich der Meinung, dass es keinesfalls egoistisch von Jackson wäre, mehr seinen eigenen Wurf zu forcieren. Besonders wenn sich die Tigers Tübingen wie gestern offensiv eher zögerlich präsentieren, wäre es in meinen Augen sehr sinnvoll, Jackson in solchen Situationen offensives Momentum und Platz für seine Teammates generieren zu lassen. Fraglich wäre nur, wie defensiv anfällig eine dauerhafte Combo von Kivimäki und Jackson auf den Guard-Positionen wäre, da man so doch sehr viel Größe abgeben würde, die man nur begrenzt mit Aggressivität kompensieren kann.

Jimmy Boeheim:

Von allen Neuzugängen (und vermutlich auch allen Tigers-Spielern, die gestern insgesamt eingesetzt wurden), hatte Jimmy Boeheim wohl den schwierigsten Abend. Als Starter auf der Power Forward-Position (wo er dann von Christoph Philipps vertreten wurde, die Tigers werden wohl wirklich sehr klein spielen in der kommenden Saison) wollte ihm von Spielbeginn an nichts so wirklich beginnen. Anders als seine Vorgänger auf dem Spot des Combo-Forwards, Ryan Mikesell und Zac Seljaas, ist Boeheim offensichtlich ein Spieler, der weniger mit dem Ball in den Händen für sich und andere kreiert, sondern der vor allem aus der Bewegung ohne Ball und dann dem Catch-and-Shoot, beziehungsweise dem Catch-and-Drive seine Offensive aufzieht. An seiner Bewegung ohne Ball und seiner Entscheidungsfindung gibt es generell auch nichts auszusetzen, Boeheim scheint ein smarter Spieler zu sein, der wirklich keinen groben Unfug anstellt, aber leider wollte einfach kein Wurf für ihn fallen. Bedauerlicherweise habe ich keine genaueren Statistiken zur Verfügung – falls irgendwelche Tigers-Verantwortlichen hier mitlesen: hätte es irgendjemand geschadet, den Boxscore zu veröffentlichen, der ja offensichtlich für die beiden Teams geführt wurde? – aber ich denke, dass Boeheim am Ende mindestens mit einer Wurfquote von 0/7 aus dem Spiel ging. Dabei tat es mir aufrichtig Leid zu sehen, wie er nach jedem Fehlwurf und nach jeder Auswechslung, mehr mit sich gehadert hat, frustriert in die Hände geklatscht hat – gefühlt auch um seinem Team zu zeigen, dass keiner heute so enttäuscht von ihm ist wie er selbst.

Und dieser Knoten wollte das ganze Spiel über einfach nicht platzen. Im Schlussiertel hatte ich bei Boeheims letzten Minuten auf dem Feld auch schon den Eindruck, dass er gar nicht mehr aktiv nach seinem eigenen Abschluss suchte, sondern den Ball lieber an der Dreierlinie entlang weitergepasst hat, sicher in der Offense beinahe versteckte. Nun war dieses Testspiel gegen die Bozic Estriche Knights Kirchheim natürlich nur eine kleine Momentaufnahme mit beschränktem Aussagewert, was die kommende Saison betrifft, aber ich hoffe doch sehr, dass Boeheim sich schnell im Team wohlfühlt und das Selbstvertrauen findet, in der Offensive dauerhaft einen wichtigen Beitrag zu leisten. Das Vertrauen von Coach Jansson, der Boeheim sowohl in der ersten, als auch der zweiten Halbzeit starten ließ und ihm trotz seines schwachen Offensivtages gefühlt mindestens 20-25 Minuten (nochmal: warum kann man nicht einfach den Boxscore abfotografieren und irgendwo hochladen?) an Spielzeit zugestand, genießt der neue Tigers-Forward zumindest schon einmal. Hoffen wir, dass er es möglichst bald zurückzahlen kann.

Zaccheus Darko-Kelly:

ZDK, der nur wegen der späten Verpflichtung Kaos nicht den unhandlichsten Namen im Tigers-Kader hat, war der Spieler, der mit seiner Performance und seiner Rolle meine Erwartungen am genausten erfüllt hat und ziemlich genau das das gelieferte, was ich von ihm erwartet hatte: einen sehr guten Motor in der Defensive, Tempo in der Bewegung nach vorne, sowie gute Entscheidungen und Treffsicherheit in der Offensive, wo er auch gut um Blöcke abseits des Balls kommt und aus diesen Situationen als Shooter oder mit dem Drive gefährlich werden kann. Darko-Kelly wirkt auf mich sehr zuverlässig in ziemlich allem, was er macht und scheint mir zurecht ein integraler Bestandteil von Danny Janssons Kaderplanung. ZDK startete nicht nur die erste und zweite Halbzeit, sondern war auch Bestandteil des Lineups, das mir mit Abstand am besten gefallen hat und das Spiel im dritten Viertel entschieden hat. Hier stand ZDK gemeinsam mit Till-Joscha Jönke, Aatu Kivimäki, Christoph Philipps und Krišs Helmanis auf dem Feld und man hatte zum ersten Mal den Eindruck, dass eine Gruppe auf dem Parkett ist, die die Tigers-DNA von letzter Saison verkörpert. Auf einmal hat die Mannschaft eine unglaublich bissige Defense gespielt und konnte daraus die Knights auch immer wieder im Fastbreak bestrafen. Wenn die Tigers die Klasse halten wollen, müssen sie mit genau dieser Spielphilosophie dauerhaft antreten und dafür passt Darko-Kelly scheinbar sehr gut in den Kader.

Christoph Philipps:

Die letzte Verpflichtung der Tigers war vielleicht der interessanteste Spieler, den es gestern zu beobachten gab und hat mich direkt in zweierlei Hinsicht überrascht. Zum einen hatte ich nicht damit gerechnet, dass Philipps bei uns als Vierer auflaufen würde. Anhand seiner bisherigen Stationen in Ulm und Hamburg hatte ich Philipps auf der Zwei und Drei verortet, wo er mit seiner durchaus vorhandenen Länge defensiv glänzen konnte, aber eben so gut wie nie in Korbnähe eingesetzt wurde. Sicherlich auch der Verletzung von Mateo Šerić geschuldet war Philipps gegen die Knights für einen Großteil seiner Spielzeit auf der Position des Power Forward im Einsatz, was zumindest gegen die körperlich natürlich nicht ganz auf BBL-Niveau agierenden Kirchheimer defensiv auch gut geklappt hat. Offensiv macht die Unterscheidung zwischen Small und Power Forward meinem Eindruck nach ohnehin keinen großen Unterschied im System von Danny Jansson. Sowohl Philipps als auch Boeheim haben so gut wie gar nicht aus dem Post agiert, sondern ihre Offensivaktionen meist von der Dreierlinie aus gestartet.

Das Stichwort Offensivaktionen leitet zur zweiten Überraschung über, die Chrissi Philipps mir gegen Kirchheim bereitet hat: Besonders nach seiner letzten Saison in Hamburg hatte ich mit ihm als einem reinen Defensivspezialisten gerechnet, der in der Offense mal den Dreier aus der Ecke nimmt, aber sonst eher wenig in Erscheinung tritt. Dem war gestern nicht so, im Gegensatz zu seinem Positionskollegen Boeheim spielte Philipps mit einem Selbstbewusstsein, das mich persönlich doch überrascht hat – emblematisch dafür eine Szene aus dem ersten Viertel, in der Philipps (wie so viele seiner Teamkollegen in dieser Spielphase) zwei Freiwürfe verfehlte, nach dem Offensivrebound seiner Mannschaft aber direkt und komplett selbstverständlich seinem Gegenspieler einen Dreier in Gesicht drückte und traf. Hier scheint es, zumindest für mich als absoluten Laienpsychologen, doch zu helfen, dass Philipps mit Jansson für einen Coach spielt, den er schon aus seiner Zeit im Ulmer Jugendprogramm kennt und der ihm volles Vertrauen zu schenken scheint. Besonders im Fastbreak trat Philipps immer wieder aggressiv auf und attackierte den Korb nicht immer ganz souverän, aber entschieden. So standen nach Abpfiff 13 Punkte für Chrissi Philipps auf der Anzeigetafel der Paul Horn-Arena – man darf gespannt sein, ob er diese Produktion über die Saison aufrecht erhalten kann, aber die Rahmenbedingungen dafür scheinen unter Danny Jansson zumindest zu passen.

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Saisonvorschau

Saisonvorschau, Teil 2 – Jhivvan Jackson

Nachdem sich herausgestellt hat, dass es unglaublich unübersichtlich wäre, all die Fragen, die mich vor der Saison beschäftigen, in einen einzelnen Vorschau-Artikel zu packen, habe ich mich entschieden, in den kommenden Wochen, meine Preview-Fragen einzeln hier hochzuladen. Nach Kao ist diesmal Jhivvan Jackson, der neue Aufbauspieler der Tigers Tübingen dran, wobei mich besonders folgende Frage bewegt:

Wird Jhivvan Jackson in einem Spiel 40 Punkte oder mehr erzielen?

Mit Jhivvan Jackson haben die Tigers diese Saison einen Spielertyp im Kader, den Danny Jansson in den letzten Saisons so nicht zur Verfügung hatte – einen puren Scorer auf den Guard-Positionen, der auch über die Dauer eines ganzen Spiels heißlaufen kann. In jeder seiner bisherigen Karrierestationen hat Jackson – der mit ‚the Puerto Rican Iverson‘ wohl auch den coolsten Spitznamen der diesjährigen Mannschaft besitzt – bewiesen, dass er Spiele an sich reißen und offensiv im Alleingang entscheiden kann. Es braucht keine zwei Minuten Youtube-Recherche, um Highlights aus 40+-Punkte-Spielen aus seiner Highschool-Zeit, seiner College-Karriere, und seinem ersten Profi-Jahr in Belgien zu finden. Auch in seinem ersten Tigers-Testspiel gegen Crailsheim konnte Jackson mit 24 Punkten bei nur einem Fehlwurf aus dem Feld eindrucksvoll seine Scoring-Fähigkeiten unter Beweis stellen.

Nun ist die BBL aber nochmal ein anderes Niveau als die BNXT-Liga und 40-Punkte-Spiele in Deutschlands Basketball-Oberhaus sind doch recht rar gesät – das letzte gelang dem damaligen Saison-MVP Parker Jackson-Cartwright in der Spielzeit 2021/22. 40 oder gar mehr Punkte in einem BBL-Spiel aufzulegen wäre also ein absolutes Statement. Ob Jackson im Tigers-Dress 40-Punkte erzielen wird, ist in meinen Augen dabei aber weniger eine Frage nach seinem individuellen Können, sondern eher nach der Rolle, die er im Team von Danny Jansson einnehmen wird. Wie grün wird das Licht für den eigenen Abschluss sein, das er von Coach Jansson bekommt? We sehr muss er als Point Guard für andere kreieren, wie sehr darf er seinen eigenen Wurf suchen? In der vergangenen Spielzeit hatte Jackson für Charlerloi mit 13 Feldwurfversuchen pro Spiel fast mehr als doppelt so viele Abschlüsse zur Verfügung als der in dieser Kategorie Zweitplatzierte Rafael Lisboa – einen derartigen Fokus auf einen einzelnen Spieler haben wir unter Danny Jansson noch nicht gesehen, zumal bei Jackson in der letzten Spielzeit mit seinen 2,3 Assists pro Spiel ganz klar zu sehen war, dass der eigene Abschluss im Angriff Priorität Nummer eins, zwei und drei war. Ich gehe davon aus, dass wir den ‚Puerto Rican Iverson‘ in der kommenden Saison in einer zahmeren Rolle sehen werden, in der er als Point Guard mehr als Teil eines Offensiv-Ensembles funktionieren muss und nicht wie bisher in seiner Karriere vor allem nach dem eigenen Abschluss schauen darf. Dass ihm das auch klar so kommuniziert wurde, wird im RTF-Saisonauftakt-Interview deutlich, wo Jackson selbst sagt, dass von ihm dieses Jahr eher erwartet wird, als Point Guard anstatt wie bisher in seiner Karriere als Shooting Guard zu agieren.

Es wird spannend zu sehen, wie schnell und wie gut sich Jackson an diese Rolle anpassen kann und ob es eine gute Idee ist, einen Spieler, der in seiner Karriere bisher vor allem als überragender Scorer aufgetreten ist, ein Stück weit dieser Stärke zu berauben und in eine neue Rolle zu stecken, in der der eigene Abschluss eine deutlich niedrigere Priorität hat. In der sehr begrenzten Stichprobe der Testspiele, bei denen die Tigers (wie so viele BBL-Clubs) nicht gerade mit Statistiken oder ausführlichen Berichten um sich werfen, war auf jeden Fall zu sehen, dass Jacksons Punkte-Produktion nach dem Debut-Krachermit 24 Punkten gegen Crailsheim in den folgenden Spielen gegen Trier und Karlsruhe mit neun beziehungsweise fünf Punkten deutlich nach unten ging – wobei wir hier natürlich nicht erfahren, wie viele Würfe sich der neue Tigers-Spielmacher dafür genehmigt hat und was er sonst zu den beiden Siegen beigetragen hat.

Jacksons Rolle im Team bleibt für mich eine der großen Fragen dieser Pre-Season und ich bin sehr gespannt, beim Season-Opener gegen die Bozic Estriche Knights Kirchheim (ein Name, der geradezu auf der Zunge zergeht, dann doch lieber keinen Namenssponsor…) erste eigene Eindrücke sammeln zu können. Und was die kommende Saison betrifft kann ich mir zum jetzigen Zeitpunkt gut vorstellen, dass hin und wieder doch Spiele kommen werden, in denen Jackson eine heiße Hand hat und von der Trainerbank das Kommando erhält, einfach zu scoren. Auf eine Weise fände ich es auch traurig, einen so begnadeten Scorer seiner einen großen Stärke zu berauben und in ein enges System-Korsett zu schnüren, daher freue ich mich jetzt schon auf die Partien, in denen Jackson einfach draufhalten darf und hoffe es werden derer nicht zu wenige. Das Ergebnis dürfte auf jeden Fall spektakulär sein – und dann wäre ich auch nicht zu überrascht, wenn am Ende 40 Punkte oder mehr für Jhivvan Jackson auf der Anzeigetafel prangen.