Kategorien
Spielberichte

Tigers – Braunschweig

Mit einer 64:78 verlieren die Tigers ihr erstes Pflichtspiel der Saison gegen die Basketball Löwen Braunschweig und scheiden direkt in der ersten Runde aus dem BBL-Pokal aus. Viel interessanter als das in der einschlägigen Medienlandschaft so gerne zitierte Duell der Raubkatzen (@Michael Körner: ein 1-gegen-1-Konflikt zwischen einem echten Tiger und einem Löwen würde vermutlich an den gewichtsmäßig überlegenen Tiger gehen, wobei der Löwe als Rudeltier vermutlich das 1-gegen-1-Duell ao auch nicht suchen würde) war für mich dabei das Aufeinandertreffen zweier Teams, die sich eine sehr ähnliche Philosophie auf die Fahnen geschrieben haben. Sowohl Braunschweig, als auch die Tigers stehen in ihrer Außendarstellung für die Entwicklung junger Talente, denen auf höchstmöglichem Niveau Vertrauen geschenkt werden soll. So stand gestern das Duell von #jungwildhungrig gegen jung-hungrig-leidenschaftlich an, wobei der Sieg der Braunschweiger letzten Endes nie wirklich gefährdet war – und den Tigers aufgezeigt wurde, dass der Sprung in die BBL doch ein ordentlicher ist.

Spielverlauf

Die Tigers starten unsicher in die Partie, defensiv bekommen sie vor allem Jilson Bango nicht in den Griff, der unter dem Tübinger Korb nach Belieben wütet und acht der ersten 14 Braunschweiger Punkte erzielt – sechs davon per Dunk. Nach viereinhalb gespielten Minuten steht es 4:14 und Danny Jansson bittet zur Auszeit. Danach – meiner Meinung nach nicht zuletzt dank der Einwechslung von Aatu Kivimäki – finden die Tübinger besser in die Partie. Krišs Helmanis‘ Drop-Defense gegen das Pick-and-Roll hilft, die Löwen vom Tübinger Korb fernzuhalten und vorne fallen endlich ein paar Würfe. In der neunten Minute steht es 17:20 und Braunschweigs erste Auszeit steht an. Unnötigerweise fangen sich die Tigers kurz vor Viertelende noch einen Korbleger von Barra Njie (der auf mich wie eine ganz exzellente Verpflichtung der Löwen wirkt), so dass nach zehn Minuten ein Stand von 17:22 die Anzeigetafel der Paul Horn-Arne ziert.

Der Start in Viertel Nummer zwei ist aus Tigers-Sicht wieder zu verhalten. Defensiv stellt der pfeilschnelle Njie die Tübinger vor große Probleme und offensiv wirkt es so, als ob bei großen Teilen des Teams eine gehörige Portion Selbsvtertrauen fehlt. So steht es in der 12. Minute 19:27 und erst jetzt fangen sich die Tigers allmählich. Endlich wird Jhivvan Jackson offensiv als Scorer tätig, aber vor allem defensiv sieht es jetzt aus wie der Tigers-Basketball der Vorsaison: engagiert, richtige Körpersprache, gelungene Kommunikation. Als Resultat kommen die Löwen kaum mehr zum Tübinger Korb und nur die wirklich schreckliche Dreierquote der Tigers hindert sie daran, in dieser Phase in Führung zu gehen. In der 16. Minute kommen die Gastgeber so auf 28:30 heran, müssen vor allem aufgrund akuter offensiver Harmlosigkeit die Löwen bis zur Halbzeitpause aber wieder auf 32:38 davonziehen lassen.

Aus der Halbzeit kommen die Tigers als die selbstbewusstere Mannschaft. Endlich nimmt sich Jimmy Boeheim auch mal ein Herz, attackiert direkt gegen Martin Peterka und kann immerhin bei einem seiner beiden Drives scoren. Zwei Minuten nach der Pause steht es 38:40, doch es ist wieder die Wurfquote der Tigers, die nur selten unter dem Korb zu guten Abschlüssen kommen und von der Dreierlinie Fahrkarte nach Fahrkarte schießen, die verhindert, dass die Tübinger die Führung erkämpfen können. Zur Viertelmitte sind es immer noch nur mickrige sechs Punkte, die unsere jungen, hungrigen und leidenschaftlichen Raubkatzen erzielt haben, so dass Braunschweig sich wieder auf 38:46 absetzen kann. Auch Timo Lanmüllers Dreier zum 41:48 (27. Minute), der nochmal kurz Hoffnung aufkommen lässt, ist nicht der erwünschte Befreiungsschlag. Zehn Minuten vor Spielende steht es so 45:57 und so langsam drängt sich die Frage auf, ob die Tigers in diesem Spiel noch die magische 60-Punkte-Schallmauer durchbrechen werden.

Das Schlussviertel beginnt mit etwas, das ich gerne schon viel früher gesehen hätte: Jhivvan Jackson beschließt, dass nun Scoring-Zeit ist und stemmt sich offensiv alleine gegen die drohende Niederlage. Zehn Tigers-Punkte in Folge gehen auf das Konto des Puerto Rican Iverson – ein Zwischenstand von 55:65 und eine Braunschweiger Auszeit sind in der 34. Minute die Folge. Danach kann Braunschweig die Jackson-Show allerdings erfolgreich unterbinden, doppelt den potentesten Tigers-Scorer sogar kurzzeitig, während bei den Tübingern scoring-mäßig niemand in die Bresche springen kann. Es ist nicht so, dass die Tigers in dieser Phase den Eindruck machen, nicht mehr zu wollen, sie können einfach nicht – was mit Ausblick auf die bevorstehende Saison vielleicht sogar das entmutigendere Zeichen ist? Spätestens mit Barra Njies sehenswertem And-One-Dunk zum 60:73 ist drei Minuten vor Abpfiff die Messe gelesen und das Tübinger Pokal-Aus besiegelt.

Was mir sonst noch relevant erscheint

  • Two-Man-Show: für weite Strecken des gestrigen Spiels waren es Krišs Helmanis und Jhivvan Jackson, die die Tigers getragen haben. Helmanis hat mich vor allem defensiv beeindruckt. Gegen seine Drop-Defense im Pick-and-Roll hatte Braunschweig immer wieder Probleme und auch gegen den physisch extrem starken Jilson Bango konnte Helmanis – bei dem zumindest ich immer wieder vergesse, dass er erst dieses Jahr 21 geworden ist – beim Rebound wirklich dagegenhalten. Jackson war hingegen die einzige zuverlässige Offensiv-Waffe der Tigers. Nach drei Vierteln, die für mich schon wieder fast zu zurückhaltend waren, drehte er im Schlussabschnitt auf und demonstrierte eindrücklich, dass er momentan der einzige wirkliche Scorer im Tigerskader ist – was er von mir aus schon viel früher hätte tun können. Statistisch steuerten Helmanis und Jackson gemeinsam 30 der 64 Tübinger Punkte, 15 der 29 Tübinger Rebounds und 6 der 15 Tigers-Assists bei – jeweils 47, 52, bzw. 40 Prozent der Gesamtausbeute ihrer Mannschaft. Diese Verteilung spricht sowohl für die starke Leistung der beiden, illustriert aber auch, wie wenig Unterstützung sie von ihren Mitspielern erhalten haben.
  • Verletzungssorgen: „Wir können über lange Strecken gut mithalten, müssen uns aber auch aufgrund der vielen Verletzungen am Ende geschlagen geben“ – so die Einordnung der Partie auf dem offiziellen Tigers-Instagram-Account. Diesem Erklärungsansatz für die Niederlage kann ich nur bedingt zustimmen, besonders da nur zwei Tigers-Akteure verletzt fehlten: Daniel Keppeler mit seiner Sprungelenksverletzung, die langwieriger zu sein scheint, als zunächst erwartet, und Mateo Šerić, dessen Rückkehr nach seinem Mittelhandbruch zumindest abzusehen zu sein scheint (auf der Tigers-Website heißt es, dass er eventuell am 21.10. gegen Heidelberg schon wieder mitwirken kann). Trotzdem konnte Danny Jansson auf eine Zwölfer-Rotation zurückgreifen, die er auch komplett nutzte – und dabei mit Erol Ersek auch noch einen siebten Import-Spieler auf der Bank sitzen hatte. Das Tigers-Statement lässt es hingegen so aussehen, dass die Niederlage am Ende Ermüdungserscheinungen aufgrund des zu dünnen Kaders geschuldet war – eine Erklärung, die ich so als unzutreffend ansehe.
  • Woher kommt die Offense? Trotzdem hat sich ein Ausfall gegen Braunschweig doch sehr bemerkbar gemacht – wäre Mateo Šerić im Kader gewesen, hätte das offensiv meines Erachtens einen Unterschied für die Tigers machen können. So fehlte der mit Abstand beste Scorer auf den deutschen Positionen, der vor allem gegen Martin Peterka auch im Post-Up hätte attackieren können und so hin und wieder den Weg zum Braunschweiger Korb gefunden hätte. Genau hier lag in meinen Augen nämlich das Problem der Tübinger Offensive: Neben Jhivvan Jackson per Drive und hin und wieder Krišs Helmanis im Post konnte sich kein Tigers-Spieler gute Abschlüsse in der Zone kreieren – ok, Kao kam zu zwei einfachen Dunks und einem Korbleger, bekam diese Abschlüsse aber von seinen Mitspielern aufgelegt und ist offensiv generell unglaublich abhängig, von den Chancen, die seine Teammates für ihn schaffen.
    Von den 33 Tübinger Versuchen aus dem Zweierbereich kamen 15 von Jackson/Helmanis (bei einer starken Trefferquote von 11/15). Der Rest des Teams wirkte auf dem Weg zum Korb entweder zu zögerlich (Grüße an Jimmy Boeheim, der sich hier im Laufe der Partie aber etwas gesteigert hat), oder fand einfach nicht die Wege, erfolgreich zu finishen, oder aber mal ein Foul zu ziehen. Der große statistische Unterschied zwischen der Tübinger und der Braunschweiger Offense bestand am Ende nicht einmal bei den Wurfquoten, sondern den Freiwurfversuchen: hier stand es 7:18 aus Tübinger Sicht. Wenn der Dreier über die Partie nur mit 25 Prozent fällt, gewinnt man so eben kein Spiel. Damit ist für mich die Offensive der Tigers zu Saisonstart das Problemthema Nummer eins – besonders gegen die Top-Teams aus Bonn und Ulm wird es spannend zu sehen, ob die Tigers vielleicht sogar mal unter 60 Punkten bleiben.
  • Tigers-Identität: Nach einer unterwältigenden Anfangsphase kam für mich die Wende im Spiel der Tigers, als in den letzten Minuten des ersten Viertels mit Aatu Kivimäki, Till-Joscha Jönke und Krišs Helmanis drei Aufstiegshelden gemeinsam auf dem Feld standen. Angetrieben nicht zuletzt durch Edelmotivator Jönke stand jetzt ein Lineup auf dem Feld, das so spielte, wie man es von letzter Saison gewohnt war: emotional, defensiv aggressiv, sich gegenseitig unterstützend und anfeuernd. Wenn die Tigers dem Abstieg entgehen wollen, müssen sie es schaffen, dieses Mindset auf die ganze Mannschaft zu übertragen. Anders als mit konstantem Vollgas ist das große Saisonziel Klassenerhalt sonst nicht zu erreichen. Hier kann und wird es sich hoffentlich auszahlen, vor allem auf den deutschen Positionen so sehr auf Kontinuität gesetzt zu haben.
  • 1402 Zuschauer:innen: Schon in der DYN-Übertragung wirkte die Stimung in der Paul Horn-Arena für mich ausbaufähig und machten mir die großen Lücken in den Sitzplatzblöcken Sorgen, doch dass mit nur 1402 Menschen die Halle zum Saisonauftakt (!) in einem KO-Spiel (!) nicht einmal halb ausgelastet war, fand ich doch sehr schockierend, als ich die offiziellen Zuschauer:innen-Statistiken gesehen habe. Es stellt sich mir dabei die Frage, ob die Menschen in Tübingen einfach nicht wussten, dass ein auf dem Papier derart attraktives Tigers-Spiel stattfindet, oder ob sie einfach kein Interesse daran hatten – was davon schlimmer wäre, kann ich gar nicht sagen. An den vorherigen Punkt anschließend glaube ich auf jeden Fall nicht daran, dass mit einem derartigen Support der Klassenerhalt machbar ist. So wie der Kader sich momentan präsentiert, muss er über Emotionen und Einsatz kommen, was in einer leeren Halle natürlich schwierig ist.
Kategorien
Saisonvorschau

Saisonvorschau, Teil 3 – erste Eindrücke der Neuzugänge

Verglichen mit dem grandiosen Goldmedaillen-Gewinn der deutschen Basketball-Nationalmannschaft muss man sagen, dass der Season-Opener der Tigers-Tübingen inklusive der offiziellen Teamvorstellung am gestrigen Nachmittag doch etwas weniger glamourös und hochklassig daher kam. Trotzdem war es zumindest für mich die erste Möglichkeit, die neu formierte Mannschaft live zu sehen. In einer insgesamt eher durchwachsenen Partie gegen die Bozic Estriche Knights Kirchheim gewannen die Tigers schließlich mit 85:74. Viel spannender als das Ergebnis war es dabei aber für mich, die Neuzugänge der Tigers zum ersten Mal zu Gesicht zu bekommen. Meine Einzelbesprechungen – die, man muss es betonen, wirklich nur auf einem ersten Eindruck und damit einer furchtbar gerinegn Datenmenge beruhen – finden sich im Folgenden.

Kaodirichi Akobundu-Ehiogu:

Hält, was ich mir bisher nach seiner Verpflichtung versprochen habe. Hat direkt im ersten Viertel mit zwei wirklich spektakulären Blocks gezeigt, dass mit ihm als Ringbeschützer von der Helpside jeder Abschluss am Korb vielleicht doch noch einmal überdacht werden sollte. In der ersten Hälfte haben die Tigers das Pick-and-Roll mit ihm in der Dropverteidigung bekämpft, was ein spannender Ansatz ist, da für die meisten attackierenden Spieler die Zone damit erstmal eine No-Go-Area wird. Gleichzeitig hat Kao besonders in der ersten Hälfte defensiv aber auch große Anfälligkeiten gegen das gegnerische Post-Up gezeigt, wo seine Gewichtsnachteile nicht nur von Nick Muszynski (den ich kommende Saison als einen der stärkeren ProA-Center sehe), sondern auch Antonio Dorn immer wieder ausgespielt werden konnten. In der zweiten Hälfte sah Kao diesbezüglich schon etwas besser aus, konnte eher dagegenhalten und wurde dann gegen das Pick-and-Roll auch im Switch eingesetzt, was zumindest in meinen Augen auch eine durchaus gangbare Option ist. So gut wie niemand wird – wie Kirchheims Michael Flowers schmerzhaft erfahren musste – aus dem Dribbling über Kao werfen können wird, ohne zumindest sehr gestört, wenn nicht sogar rüde abgeräumt zu werden. Am Ende der Partie standen für Kao laut Tigers-Website und Tagblatt drei Blocks zu Buche, wobei ich in der Halle mindestens zwei mehr gesehen habe. So oder so ist klar, dass Kao defensiv ein absoluter Gamechanger sein kann, um den herum gegnerische Teams ihre Offense planen müssen.

Im Angriff hingegen hat sich gezeigt, dass Kao noch unfassbar roh ist und es eine Weile brauchen wird, bis er hier einen annähernd so großen Impact auf das Spiel haben wird, wie in der Defensive. Seine meisten Ballkontakte hatte Kao auf dem Flügel, wo er nur als Pass-Station genutzt wurde, oder ins Hand-Off mit seinen Guards gegangen ist. Seine 4 Punkte entstanden durch Fouls an ihm nach Durchsteckern oder Offense-Rebounds (Freiwurfquote 2/4, wobei der Wurf aber technisch wirklich ok aussieht) und im vierten Viertel dann endlich per Dunk nach Alley-Oop-Zuspiel von Jhivvan Jackson. Besonders im Abrollen sehe ich noch viel Luft nach oben für die gesamte Tigers-Offense, ihren besten Athleten konsequenter zu suchen und hoch anzuspielen, die absolute Lufthoheit wird er vermutlich in jeder Partie haben. Ansonsten ist zum jetzigen Zeitpunkt offensiv neben Putbacks, verwerteten Durchsteckern und Alleys nicht viel von Kao zu erwarten. Sein einer Post-Up gegen Antonio Dorn endete nach einer wirren Fußarbeitseinlage mit einem Hakenwurf, der traurig gegen das Brett klatschte. Danach wurde Kao in dieser Situation von seinen Mitspielern (wohl zurecht) auch nicht mehr gesucht.

Jhivvan Jackson:

War von Beginn an sichtlich bemüht, seine Rolle als Point Guard auszufüllen und verstand es vor allem in der ersten Hälfte als seine Hauptaufgabe, den Ball an seine Mitspieler zu bringen. Das Zeug dazu hat er durchaus, das Ballhandling sieht gut aus, die Pässe fanden ihren Empfänger, Systeme wurden angesagt und geduldig gelaufen und der Ball auch im Break schnell nach vorne gebracht. Was in seiner Point Guard-Rolle, zumindest in meinen Augen, aber absolut zu kurz kam, war Jacksons eigenes Scoring. Immer wieder habe ich mich während des Spiels ertappt, wie ich mir gewünscht hätte, dass er – besonders nach einem Switch – sich seinen Verteidiger einfach im 1-gegen-1 vorknöpft und scort. Dass Jackson das kann wurde nicht nur bei seinen bisherigen Karrierestationen offensichtlich, sondern auch in der zweiten Halbzeit, als er immer wieder neben Aatu Kivimäki eingesetzt wurde, der dann die Rolle des Point Guards übernommen hat und Jackson so die Möglichkeit gab, offensiv befreit aufzuspielen und zu scoren.

So wurde der Puerto Rican Iverson dank eines selbstbewussteren Schlussviertels am Ende doch Tigers-Topscorer mit 17 Punkten, was umso beeindruckender ist, da ich das Gefühl hatte, dass er ungefähr zwei Drittel des Spiels offensiv mit angezogener Handbremse gespielt hat und seinen eigenen Abschluss eher gemieden hat. Zumindest offensiv würde ich mir daher wünschen, dass Jackson so oft wie möglich neben Kivimäki auflaufen darf, damit er nicht seiner größten Stärke, seines Shotmakings, beraubt den Ballvortrag übernehmen und Systeme einleiten muss, sondern den Tigers als Scorer wichtige Impulse geben kann. Besonders da durch einen aggressiven Jhivvan Jackson, der im 1-gegen-1 nur äußerst schwer zu stoppen ist, sich unweigerlich auch mehr Freiräume für seine Mitspieler eröffnen werden, bin ich der Meinung, dass es keinesfalls egoistisch von Jackson wäre, mehr seinen eigenen Wurf zu forcieren. Besonders wenn sich die Tigers Tübingen wie gestern offensiv eher zögerlich präsentieren, wäre es in meinen Augen sehr sinnvoll, Jackson in solchen Situationen offensives Momentum und Platz für seine Teammates generieren zu lassen. Fraglich wäre nur, wie defensiv anfällig eine dauerhafte Combo von Kivimäki und Jackson auf den Guard-Positionen wäre, da man so doch sehr viel Größe abgeben würde, die man nur begrenzt mit Aggressivität kompensieren kann.

Jimmy Boeheim:

Von allen Neuzugängen (und vermutlich auch allen Tigers-Spielern, die gestern insgesamt eingesetzt wurden), hatte Jimmy Boeheim wohl den schwierigsten Abend. Als Starter auf der Power Forward-Position (wo er dann von Christoph Philipps vertreten wurde, die Tigers werden wohl wirklich sehr klein spielen in der kommenden Saison) wollte ihm von Spielbeginn an nichts so wirklich beginnen. Anders als seine Vorgänger auf dem Spot des Combo-Forwards, Ryan Mikesell und Zac Seljaas, ist Boeheim offensichtlich ein Spieler, der weniger mit dem Ball in den Händen für sich und andere kreiert, sondern der vor allem aus der Bewegung ohne Ball und dann dem Catch-and-Shoot, beziehungsweise dem Catch-and-Drive seine Offensive aufzieht. An seiner Bewegung ohne Ball und seiner Entscheidungsfindung gibt es generell auch nichts auszusetzen, Boeheim scheint ein smarter Spieler zu sein, der wirklich keinen groben Unfug anstellt, aber leider wollte einfach kein Wurf für ihn fallen. Bedauerlicherweise habe ich keine genaueren Statistiken zur Verfügung – falls irgendwelche Tigers-Verantwortlichen hier mitlesen: hätte es irgendjemand geschadet, den Boxscore zu veröffentlichen, der ja offensichtlich für die beiden Teams geführt wurde? – aber ich denke, dass Boeheim am Ende mindestens mit einer Wurfquote von 0/7 aus dem Spiel ging. Dabei tat es mir aufrichtig Leid zu sehen, wie er nach jedem Fehlwurf und nach jeder Auswechslung, mehr mit sich gehadert hat, frustriert in die Hände geklatscht hat – gefühlt auch um seinem Team zu zeigen, dass keiner heute so enttäuscht von ihm ist wie er selbst.

Und dieser Knoten wollte das ganze Spiel über einfach nicht platzen. Im Schlussiertel hatte ich bei Boeheims letzten Minuten auf dem Feld auch schon den Eindruck, dass er gar nicht mehr aktiv nach seinem eigenen Abschluss suchte, sondern den Ball lieber an der Dreierlinie entlang weitergepasst hat, sicher in der Offense beinahe versteckte. Nun war dieses Testspiel gegen die Bozic Estriche Knights Kirchheim natürlich nur eine kleine Momentaufnahme mit beschränktem Aussagewert, was die kommende Saison betrifft, aber ich hoffe doch sehr, dass Boeheim sich schnell im Team wohlfühlt und das Selbstvertrauen findet, in der Offensive dauerhaft einen wichtigen Beitrag zu leisten. Das Vertrauen von Coach Jansson, der Boeheim sowohl in der ersten, als auch der zweiten Halbzeit starten ließ und ihm trotz seines schwachen Offensivtages gefühlt mindestens 20-25 Minuten (nochmal: warum kann man nicht einfach den Boxscore abfotografieren und irgendwo hochladen?) an Spielzeit zugestand, genießt der neue Tigers-Forward zumindest schon einmal. Hoffen wir, dass er es möglichst bald zurückzahlen kann.

Zaccheus Darko-Kelly:

ZDK, der nur wegen der späten Verpflichtung Kaos nicht den unhandlichsten Namen im Tigers-Kader hat, war der Spieler, der mit seiner Performance und seiner Rolle meine Erwartungen am genausten erfüllt hat und ziemlich genau das das gelieferte, was ich von ihm erwartet hatte: einen sehr guten Motor in der Defensive, Tempo in der Bewegung nach vorne, sowie gute Entscheidungen und Treffsicherheit in der Offensive, wo er auch gut um Blöcke abseits des Balls kommt und aus diesen Situationen als Shooter oder mit dem Drive gefährlich werden kann. Darko-Kelly wirkt auf mich sehr zuverlässig in ziemlich allem, was er macht und scheint mir zurecht ein integraler Bestandteil von Danny Janssons Kaderplanung. ZDK startete nicht nur die erste und zweite Halbzeit, sondern war auch Bestandteil des Lineups, das mir mit Abstand am besten gefallen hat und das Spiel im dritten Viertel entschieden hat. Hier stand ZDK gemeinsam mit Till-Joscha Jönke, Aatu Kivimäki, Christoph Philipps und Krišs Helmanis auf dem Feld und man hatte zum ersten Mal den Eindruck, dass eine Gruppe auf dem Parkett ist, die die Tigers-DNA von letzter Saison verkörpert. Auf einmal hat die Mannschaft eine unglaublich bissige Defense gespielt und konnte daraus die Knights auch immer wieder im Fastbreak bestrafen. Wenn die Tigers die Klasse halten wollen, müssen sie mit genau dieser Spielphilosophie dauerhaft antreten und dafür passt Darko-Kelly scheinbar sehr gut in den Kader.

Christoph Philipps:

Die letzte Verpflichtung der Tigers war vielleicht der interessanteste Spieler, den es gestern zu beobachten gab und hat mich direkt in zweierlei Hinsicht überrascht. Zum einen hatte ich nicht damit gerechnet, dass Philipps bei uns als Vierer auflaufen würde. Anhand seiner bisherigen Stationen in Ulm und Hamburg hatte ich Philipps auf der Zwei und Drei verortet, wo er mit seiner durchaus vorhandenen Länge defensiv glänzen konnte, aber eben so gut wie nie in Korbnähe eingesetzt wurde. Sicherlich auch der Verletzung von Mateo Šerić geschuldet war Philipps gegen die Knights für einen Großteil seiner Spielzeit auf der Position des Power Forward im Einsatz, was zumindest gegen die körperlich natürlich nicht ganz auf BBL-Niveau agierenden Kirchheimer defensiv auch gut geklappt hat. Offensiv macht die Unterscheidung zwischen Small und Power Forward meinem Eindruck nach ohnehin keinen großen Unterschied im System von Danny Jansson. Sowohl Philipps als auch Boeheim haben so gut wie gar nicht aus dem Post agiert, sondern ihre Offensivaktionen meist von der Dreierlinie aus gestartet.

Das Stichwort Offensivaktionen leitet zur zweiten Überraschung über, die Chrissi Philipps mir gegen Kirchheim bereitet hat: Besonders nach seiner letzten Saison in Hamburg hatte ich mit ihm als einem reinen Defensivspezialisten gerechnet, der in der Offense mal den Dreier aus der Ecke nimmt, aber sonst eher wenig in Erscheinung tritt. Dem war gestern nicht so, im Gegensatz zu seinem Positionskollegen Boeheim spielte Philipps mit einem Selbstbewusstsein, das mich persönlich doch überrascht hat – emblematisch dafür eine Szene aus dem ersten Viertel, in der Philipps (wie so viele seiner Teamkollegen in dieser Spielphase) zwei Freiwürfe verfehlte, nach dem Offensivrebound seiner Mannschaft aber direkt und komplett selbstverständlich seinem Gegenspieler einen Dreier in Gesicht drückte und traf. Hier scheint es, zumindest für mich als absoluten Laienpsychologen, doch zu helfen, dass Philipps mit Jansson für einen Coach spielt, den er schon aus seiner Zeit im Ulmer Jugendprogramm kennt und der ihm volles Vertrauen zu schenken scheint. Besonders im Fastbreak trat Philipps immer wieder aggressiv auf und attackierte den Korb nicht immer ganz souverän, aber entschieden. So standen nach Abpfiff 13 Punkte für Chrissi Philipps auf der Anzeigetafel der Paul Horn-Arena – man darf gespannt sein, ob er diese Produktion über die Saison aufrecht erhalten kann, aber die Rahmenbedingungen dafür scheinen unter Danny Jansson zumindest zu passen.

Kategorien
Saisonvorschau

Saisonvorschau, Teil 2 – Jhivvan Jackson

Nachdem sich herausgestellt hat, dass es unglaublich unübersichtlich wäre, all die Fragen, die mich vor der Saison beschäftigen, in einen einzelnen Vorschau-Artikel zu packen, habe ich mich entschieden, in den kommenden Wochen, meine Preview-Fragen einzeln hier hochzuladen. Nach Kao ist diesmal Jhivvan Jackson, der neue Aufbauspieler der Tigers Tübingen dran, wobei mich besonders folgende Frage bewegt:

Wird Jhivvan Jackson in einem Spiel 40 Punkte oder mehr erzielen?

Mit Jhivvan Jackson haben die Tigers diese Saison einen Spielertyp im Kader, den Danny Jansson in den letzten Saisons so nicht zur Verfügung hatte – einen puren Scorer auf den Guard-Positionen, der auch über die Dauer eines ganzen Spiels heißlaufen kann. In jeder seiner bisherigen Karrierestationen hat Jackson – der mit ‚the Puerto Rican Iverson‘ wohl auch den coolsten Spitznamen der diesjährigen Mannschaft besitzt – bewiesen, dass er Spiele an sich reißen und offensiv im Alleingang entscheiden kann. Es braucht keine zwei Minuten Youtube-Recherche, um Highlights aus 40+-Punkte-Spielen aus seiner Highschool-Zeit, seiner College-Karriere, und seinem ersten Profi-Jahr in Belgien zu finden. Auch in seinem ersten Tigers-Testspiel gegen Crailsheim konnte Jackson mit 24 Punkten bei nur einem Fehlwurf aus dem Feld eindrucksvoll seine Scoring-Fähigkeiten unter Beweis stellen.

Nun ist die BBL aber nochmal ein anderes Niveau als die BNXT-Liga und 40-Punkte-Spiele in Deutschlands Basketball-Oberhaus sind doch recht rar gesät – das letzte gelang dem damaligen Saison-MVP Parker Jackson-Cartwright in der Spielzeit 2021/22. 40 oder gar mehr Punkte in einem BBL-Spiel aufzulegen wäre also ein absolutes Statement. Ob Jackson im Tigers-Dress 40-Punkte erzielen wird, ist in meinen Augen dabei aber weniger eine Frage nach seinem individuellen Können, sondern eher nach der Rolle, die er im Team von Danny Jansson einnehmen wird. Wie grün wird das Licht für den eigenen Abschluss sein, das er von Coach Jansson bekommt? We sehr muss er als Point Guard für andere kreieren, wie sehr darf er seinen eigenen Wurf suchen? In der vergangenen Spielzeit hatte Jackson für Charlerloi mit 13 Feldwurfversuchen pro Spiel fast mehr als doppelt so viele Abschlüsse zur Verfügung als der in dieser Kategorie Zweitplatzierte Rafael Lisboa – einen derartigen Fokus auf einen einzelnen Spieler haben wir unter Danny Jansson noch nicht gesehen, zumal bei Jackson in der letzten Spielzeit mit seinen 2,3 Assists pro Spiel ganz klar zu sehen war, dass der eigene Abschluss im Angriff Priorität Nummer eins, zwei und drei war. Ich gehe davon aus, dass wir den ‚Puerto Rican Iverson‘ in der kommenden Saison in einer zahmeren Rolle sehen werden, in der er als Point Guard mehr als Teil eines Offensiv-Ensembles funktionieren muss und nicht wie bisher in seiner Karriere vor allem nach dem eigenen Abschluss schauen darf. Dass ihm das auch klar so kommuniziert wurde, wird im RTF-Saisonauftakt-Interview deutlich, wo Jackson selbst sagt, dass von ihm dieses Jahr eher erwartet wird, als Point Guard anstatt wie bisher in seiner Karriere als Shooting Guard zu agieren.

Es wird spannend zu sehen, wie schnell und wie gut sich Jackson an diese Rolle anpassen kann und ob es eine gute Idee ist, einen Spieler, der in seiner Karriere bisher vor allem als überragender Scorer aufgetreten ist, ein Stück weit dieser Stärke zu berauben und in eine neue Rolle zu stecken, in der der eigene Abschluss eine deutlich niedrigere Priorität hat. In der sehr begrenzten Stichprobe der Testspiele, bei denen die Tigers (wie so viele BBL-Clubs) nicht gerade mit Statistiken oder ausführlichen Berichten um sich werfen, war auf jeden Fall zu sehen, dass Jacksons Punkte-Produktion nach dem Debut-Krachermit 24 Punkten gegen Crailsheim in den folgenden Spielen gegen Trier und Karlsruhe mit neun beziehungsweise fünf Punkten deutlich nach unten ging – wobei wir hier natürlich nicht erfahren, wie viele Würfe sich der neue Tigers-Spielmacher dafür genehmigt hat und was er sonst zu den beiden Siegen beigetragen hat.

Jacksons Rolle im Team bleibt für mich eine der großen Fragen dieser Pre-Season und ich bin sehr gespannt, beim Season-Opener gegen die Bozic Estriche Knights Kirchheim (ein Name, der geradezu auf der Zunge zergeht, dann doch lieber keinen Namenssponsor…) erste eigene Eindrücke sammeln zu können. Und was die kommende Saison betrifft kann ich mir zum jetzigen Zeitpunkt gut vorstellen, dass hin und wieder doch Spiele kommen werden, in denen Jackson eine heiße Hand hat und von der Trainerbank das Kommando erhält, einfach zu scoren. Auf eine Weise fände ich es auch traurig, einen so begnadeten Scorer seiner einen großen Stärke zu berauben und in ein enges System-Korsett zu schnüren, daher freue ich mich jetzt schon auf die Partien, in denen Jackson einfach draufhalten darf und hoffe es werden derer nicht zu wenige. Das Ergebnis dürfte auf jeden Fall spektakulär sein – und dann wäre ich auch nicht zu überrascht, wenn am Ende 40 Punkte oder mehr für Jhivvan Jackson auf der Anzeigetafel prangen.