Kategorien
Saisonvorschau

Saisonvorschau, Teil 4: Was passiert mit Bakary Dibba?

Eigentlich wollte ich mich in meinem Saisonvorschau-Artikel zu Bakary Dibba vor allem mit seinem Distanzwurf beschäftigen und die gewagte These aufstellen, dass er nur einen zuverlässigen Dreier davon entfernt ist, in ein paar Jahren der dänische Louis Olinde zu werden. Ansonsten ist alles da: die langen Arme, die giftige Defense, die Chasedownblocks, das Auge für gute Cuts und natürlich der unbedingte Wille, alles zu dunken was geht. Wer es nicht glauben will, soll bitte die Highlights vergleichen.

Doch nun geht es mit Bakary Dibba plötzlich um ganz andere Themen: Nicht nur im Tagblatt werden Andeutungen gemacht, auch auf der Tigers-Website wird Danny Jansson wie folgt zitiert: „Es kann sein, dass wir ihn [Dibba] für die kommende Saison noch ausleihen werden, um ihn dann noch besser in einem Jahr zurückzubekommen. Im Moment trainiert er weiter mit uns. Wir müssen sehen, was die nächsten Tage bringen.” Damit steht fest, dass Publikumsliebling Dibba ganz klar auf dem Markt zu sein scheint, um verliehen zu werden und sich eine diesbezügliche Entscheidung wohl in den nächsten Tagen anbahnt. Diese erste Leihe in der jüngeren Tigers-Geschichte – kann sich jemand überhaupt an eine andere erinnern? – wirft natürlich eine Menge fragen auf, die ich versuchen werde, hier zu beantworten.

1. Wann kommt der deutsche Pass für Erol Ersek?

Wohl nicht so bald. Nachdem zum Zeitpunkt von Erseks Vertragsverlängerung noch Zuversicht bei den Tigers herrschte, ihn in der kommenden Saison als deutschen Spieler zur Verfügung zu haben: „Ersek und sein Berater sind aktuell intensiv daran, dass diese Formalie zeitnah abgeschlossen wird und die Tübinger Nummer elf als deutscher Spieler für die Tigers Tübingen auf Korbjagd gehen kann,“ erreichen uns nun aktuell doch andere Töne aus dem Umfeld der Tigers: „Weiterhin gibt es hingegen keine Neuigkeiten hinsichtlich eines deutschen Passes für den Spieler Erol Ersek. ‚Es ist doch schwerer den deutschen Pass zu bekommen, auch als Österreicher. Wir arbeiten jedoch daran. Die deutsche Bürokratie ist sehr gründlich,‘ betonte Ersek mit einem Grinsen auf den Wangen.“

Für den Fall, dass Dibba bei den Tigers bleiben sollte, würde das bedeuten, dass unsere geliebten Raubkatzen (immerhin ist man in Tübingen noch nicht auf die medium-fetzige Idee gekommen, sich „Jungs vom Neckar“ zu nennen, wie man es inzwischen bei den MLP Academics tut, deren PR-Abteilung ich sonst doch sehr schätze) mit acht Import-Spielern in die Saison gehen würden. Eine derartige Tiefe auf den Import-Spots würde zwar eine starke Absicherung gegen Verletzungen bedeuten, würde aber auch dafür sorgen, dass aus dem Oktett aus Zaccheus Darko-Kelly, Aatu Kivimäki, Jhivvan Jackson, Jimmy Boeheim, Bakary Dibba, Kaodirichi Akobundu-Ehiogu, Krišs Helmanis und Erol Ersek zwei Spieler pro Partie aussetzen müssten. Auch wenn mir Danny Jansson wie ein Coach scheint, der in der Lage ist, Rollenverteilung im Kader gut zu kommunizieren, könnte ich mir doch vorstellen, dass es für atmosphärische Verstimmungen sorgen könnte, wenn regelmäßig Spieler aussetzen müssen, die von den individuellen Anlagen her alle (mehr oder weniger) locker für die Tigers starten könnten. Wenn für Erol Ersek tatsächlich kein deutscher Pass in Aussicht ist, macht es dann wohl tatsächlich Sinn, mit Bakary Dibba den Spieler zu verleihen, der wohl am meisten unter dieser Situation gelitten hätte – und der als langfristiges Tigers-Projekt trotzdem gefördert werden sollte.

2. Wohin wird Bakary Dibba ausgeliehen?

Es ist für Beobachtende von außen klar und wird auch von Danny Jansson so kommuniziert, dass eine Leihe nur Sinn macht, wenn Dibba in der kommenden Saison möglichst viel Einsatzzeit sammeln darf, um sich zu entwicklen. Immer wieder wird im Basketball-Geschäft betont, wie wichtig Spielpraxis für die Entwicklung von Talenten ist und gerade diese scheinen die Tigers Dibba in der aktuellen Kader-Situation nicht bieten zu können. Gleichzeitig ist er der ersten Regionalliga endgültig entwachsen, wie er in den ProA-Playoffs der letzten Saison zeigen konnte, ihn hier einzusetzen wäre wohl für alle Beteiligten frustrierend, sowohl für den dänischen A-Nationalspieler, als auch für seine Opfer auf Regio-Niveau. Es geht für die Tigers also darum, einen Club zu finden, bei dem Dibba auf möglichst hohem Niveau eine möglichst große Rolle spielen darf, um dann in der nächsten Saison (hoffentlich mit einem soliden Dreier) zurückzukehren. Grundvoraussetzung für das ganze Leihgeschäft und Dibbas angepeilte Rückkehr wäre dabei natürlich eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit dem jungen Forward, dessen aktueller Kontrakt 2024 ausläuft. Man kann davon ausgehen, dass im Falle eine Leihe die Verlängerung direkt dazu bekanntgegeben wird.

Auf der anderen Seite muss bedacht werden, dass für den Leih-Partner der Tigers ganz andere Bedürfnisse und Prioritäten entstehen als für die Tübinger. Kein anderer Club wird ein intrinsisches Interesse daran haben, Dibba lediglich als Perspektivspieler für einen anderen Club zu entwickeln. Damit die Leihe für seine Zielmannschaft Sinn macht, muss Dibba hier eindeutig Leistung bringen und würde so im Falle einer Leihe vermutlich zum ersten Mal in seiner Karriere so richtig unter Druck stehen, direkt zu liefern. Nach Spekulationen des Schwäbischen Tagblatts könnte ein deutscher ProA-Ligist wohl eine Zieldestination für das Tübinger Juwel werden. Damit würde Dibba direkt wieder in einer Situation landen, in der er als Import-Spieler einen begehrten Kontingentplatz belegt, was Druck und eine gewisse Erwartungshaltung bedeutet. Sollte es tatsächlich die ProA werden, sehe ich Dibba vor diesem Hintergrund eher bei einem der Teams der unteren Tabellenhälfte – bei Topteams wie Gießen, Frankfurt, oder auch den Koblenzer Aufsteigern, die zumindest dem eigenen Anspruch nach um den Aufstieg mitspielen werden, kann Dibba nicht die Rolle und Spielzeit gewährleistet werden, die er und die Tigers sich wünschen würden. Mehr Verantwortung und vor allem weniger starke Konkurrenz auf den Imports-Spots sehe ich bei den etatschwächeren Teams der unteren Tabellenhälfte. Besonders wenn die Tigers, wie bei Leihen wohl nicht unüblich, weiter einen Teil von Dibbas Gehalt übernehmen, könnten Teams wie Düsseldorf, Paderborn, oder Bochum (ohne deren Kader oder genauere Etatsituation zu kennen) in Dibba ein Schnäppchen sehen und dementsprechend zuschlagen.

3. Was sagt die Leihe über die Philosophie der Tigers aus?

Für mich ist die eventuell bevorstehende Leihe Bakary Dibbas vor allem ein Zeichen dafür, dass die Tigers Tübingen ihr Commitment zu der Philosophie, junge (sowie hungrige und leidenschaftliche…) Spieler zu entwickeln und mit ihnen gemeinsam zu wachsen, weiterhin ernstnehmen und auch unter höherem Druck in der BBL nicht verwerfen. Gleichzeitig freut es mich auch zu sehen, dass mit einem solchen Move offenbar langfristiger als nur eine Saison geplant wird, was ich vor allem in den letzten Tübinger Erstliga-Spielzeiten so nicht wahrgenommen habe. Auch sonst scheint es mir unter den BBL-Clubs der unteren Tabellenhälfte so, dass es zwar infrastrukturell durchaus längerfristige Ziele geben mag, der Kader aber von Jahr zu Jahr komplett neu zusammengewürfelt wird und Planung und vor allem Spielerentwicklung über mehr als eine Saison hinweg so gut wie unmöglich ist. Insofern ist ein Leihgeschäft durchaus als positives Zeichen zu sehen und stellt auch ein Alleinstellungsmerkmal im deutschen Basketballgeschäft dar.

Typischerweise sind es in Deutschland Mannschaften wie Alba Berlin, Bayern München oder auch die ach-so-verhassten Ulmer Erzrivalen, die es sich leisten können und wollen, ihre Talente bei schwächeren Teams zu Entwicklungszwecken zu parken. Dass die Tigers sich diesen Luxus trotz ihres mickrigen Etats vermutlich leisten werden, ist natürlich keinesfalls als Kampfansage an diese deutschen Basketball-Schwergewichte zu verstehen. Alleine etatmäßig wird man sich mit den genannten Clubs in den nächsten zehn Jahren (und vermutlich auch darüber hinweg) nicht messen können. Was mich aber doch sehr freuen würde, wäre wenn die Tigers es schaffen, sich mit solchen Entscheidungen und vor allem einer möglichst langen Amtszeit von Danny Jansson einen (internationalen) Ruf als Destination für erfolgreiche Spielerentwicklung zu erarbeiten und so einen Markenkern etablieren, der sowohl für die Spielerrekrutierung, als auch die Fanbindung sehr hilfreich sein kann.

Im Großen und Ganzen scheint mir eine Leihe von Bakary Dibba also eine gute Idee zu sein, wobei es mich aber natürlich sehr schmerzen wird, ihn in der kommenden Saison nicht im Tigers-Dress zu sehen. Besonders mit Dibba an der Seite von Kao hätte ich meine helle Freude gehabt, diese Highlight-Maschinerie wird uns wohl leider entgehen.

Kategorien
Saisonvorschau

Saisonvorschau, Teil 2 – Jhivvan Jackson

Nachdem sich herausgestellt hat, dass es unglaublich unübersichtlich wäre, all die Fragen, die mich vor der Saison beschäftigen, in einen einzelnen Vorschau-Artikel zu packen, habe ich mich entschieden, in den kommenden Wochen, meine Preview-Fragen einzeln hier hochzuladen. Nach Kao ist diesmal Jhivvan Jackson, der neue Aufbauspieler der Tigers Tübingen dran, wobei mich besonders folgende Frage bewegt:

Wird Jhivvan Jackson in einem Spiel 40 Punkte oder mehr erzielen?

Mit Jhivvan Jackson haben die Tigers diese Saison einen Spielertyp im Kader, den Danny Jansson in den letzten Saisons so nicht zur Verfügung hatte – einen puren Scorer auf den Guard-Positionen, der auch über die Dauer eines ganzen Spiels heißlaufen kann. In jeder seiner bisherigen Karrierestationen hat Jackson – der mit ‚the Puerto Rican Iverson‘ wohl auch den coolsten Spitznamen der diesjährigen Mannschaft besitzt – bewiesen, dass er Spiele an sich reißen und offensiv im Alleingang entscheiden kann. Es braucht keine zwei Minuten Youtube-Recherche, um Highlights aus 40+-Punkte-Spielen aus seiner Highschool-Zeit, seiner College-Karriere, und seinem ersten Profi-Jahr in Belgien zu finden. Auch in seinem ersten Tigers-Testspiel gegen Crailsheim konnte Jackson mit 24 Punkten bei nur einem Fehlwurf aus dem Feld eindrucksvoll seine Scoring-Fähigkeiten unter Beweis stellen.

Nun ist die BBL aber nochmal ein anderes Niveau als die BNXT-Liga und 40-Punkte-Spiele in Deutschlands Basketball-Oberhaus sind doch recht rar gesät – das letzte gelang dem damaligen Saison-MVP Parker Jackson-Cartwright in der Spielzeit 2021/22. 40 oder gar mehr Punkte in einem BBL-Spiel aufzulegen wäre also ein absolutes Statement. Ob Jackson im Tigers-Dress 40-Punkte erzielen wird, ist in meinen Augen dabei aber weniger eine Frage nach seinem individuellen Können, sondern eher nach der Rolle, die er im Team von Danny Jansson einnehmen wird. Wie grün wird das Licht für den eigenen Abschluss sein, das er von Coach Jansson bekommt? We sehr muss er als Point Guard für andere kreieren, wie sehr darf er seinen eigenen Wurf suchen? In der vergangenen Spielzeit hatte Jackson für Charlerloi mit 13 Feldwurfversuchen pro Spiel fast mehr als doppelt so viele Abschlüsse zur Verfügung als der in dieser Kategorie Zweitplatzierte Rafael Lisboa – einen derartigen Fokus auf einen einzelnen Spieler haben wir unter Danny Jansson noch nicht gesehen, zumal bei Jackson in der letzten Spielzeit mit seinen 2,3 Assists pro Spiel ganz klar zu sehen war, dass der eigene Abschluss im Angriff Priorität Nummer eins, zwei und drei war. Ich gehe davon aus, dass wir den ‚Puerto Rican Iverson‘ in der kommenden Saison in einer zahmeren Rolle sehen werden, in der er als Point Guard mehr als Teil eines Offensiv-Ensembles funktionieren muss und nicht wie bisher in seiner Karriere vor allem nach dem eigenen Abschluss schauen darf. Dass ihm das auch klar so kommuniziert wurde, wird im RTF-Saisonauftakt-Interview deutlich, wo Jackson selbst sagt, dass von ihm dieses Jahr eher erwartet wird, als Point Guard anstatt wie bisher in seiner Karriere als Shooting Guard zu agieren.

Es wird spannend zu sehen, wie schnell und wie gut sich Jackson an diese Rolle anpassen kann und ob es eine gute Idee ist, einen Spieler, der in seiner Karriere bisher vor allem als überragender Scorer aufgetreten ist, ein Stück weit dieser Stärke zu berauben und in eine neue Rolle zu stecken, in der der eigene Abschluss eine deutlich niedrigere Priorität hat. In der sehr begrenzten Stichprobe der Testspiele, bei denen die Tigers (wie so viele BBL-Clubs) nicht gerade mit Statistiken oder ausführlichen Berichten um sich werfen, war auf jeden Fall zu sehen, dass Jacksons Punkte-Produktion nach dem Debut-Krachermit 24 Punkten gegen Crailsheim in den folgenden Spielen gegen Trier und Karlsruhe mit neun beziehungsweise fünf Punkten deutlich nach unten ging – wobei wir hier natürlich nicht erfahren, wie viele Würfe sich der neue Tigers-Spielmacher dafür genehmigt hat und was er sonst zu den beiden Siegen beigetragen hat.

Jacksons Rolle im Team bleibt für mich eine der großen Fragen dieser Pre-Season und ich bin sehr gespannt, beim Season-Opener gegen die Bozic Estriche Knights Kirchheim (ein Name, der geradezu auf der Zunge zergeht, dann doch lieber keinen Namenssponsor…) erste eigene Eindrücke sammeln zu können. Und was die kommende Saison betrifft kann ich mir zum jetzigen Zeitpunkt gut vorstellen, dass hin und wieder doch Spiele kommen werden, in denen Jackson eine heiße Hand hat und von der Trainerbank das Kommando erhält, einfach zu scoren. Auf eine Weise fände ich es auch traurig, einen so begnadeten Scorer seiner einen großen Stärke zu berauben und in ein enges System-Korsett zu schnüren, daher freue ich mich jetzt schon auf die Partien, in denen Jackson einfach draufhalten darf und hoffe es werden derer nicht zu wenige. Das Ergebnis dürfte auf jeden Fall spektakulär sein – und dann wäre ich auch nicht zu überrascht, wenn am Ende 40 Punkte oder mehr für Jhivvan Jackson auf der Anzeigetafel prangen.